Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traumreisende

Traumreisende

Titel: Traumreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
Vom Netzwerk:
Geld verdiente.
    Die Vereinbarung mit den Barmherzigen Schwestern sah vor, dass ihr früheres Mündel für seine Dienste einen kleinen Lohn, Kost und Logis erhielte. Zehn Prozent des Lohns waren direkt an die Schule zu überweisen und galten als Beatrices Beitrag zur Sonntagskollekte. Die Details der Vereinbarung wurden Beatrice nicht mitgeteilt, und so wartete und wartete sie auf den Tag, an dem Daphne ihr etwas Geld geben würde.
    Sie war schon fünf Monate dort beschäftigt, und Daphne war fast soweit, ein wenig Bargeld herauszurücken, als etwas geschah, das sie ihre Meinung ändern ließ. Ihre zukünftige Finanzsituation sollte sich an dem Tag ändern, an dem das Telefon läutete und die Sekretärin des Zementwerks ihr mitteilte, dass John Ramey tot sei.
    Seine Unaufmerksamkeit und sein Mangel an Konzentration hatten ihn schließlich eingeholt. Er hatte eine Maschine eingeschaltet und dabei einen stromführenden Draht auf nassen Boden fallen lassen, den er soeben gewischt hatte. Jetzt musste Daphne sich mit einem unvermieteten Zimmer herumschlagen.

    »Beatrice, bring einen Karton und hilf mir, Johns Sachen zu packen«, sagte Daphne ungerührt, nachdem sie den Hörer wieder auf die Gabel gelegt hatte. »Er ist tot.«
    Mr. Ramey hatte zwei Lederkoffer unter seinem Bett liegen, und so brauchten sie den Karton schließlich doch nicht. Er besaß sehr wenig, hauptsächlich Kleidung. Es gab kein Fotoalbum, keinen Schmuck, nur ein paar Toilettenartikel und zwei Päckchen Zigaretten, die Daphne mit nach unten nahm. Sie entdeckte auch einen Aschenbecher, den sie noch nicht gesehen hatte. Sie ließ ihn auf dem Nachttisch stehen und fügte ihn nachher ihrem Inventar hinzu. Die gepackten Koffer standen zwei Tage im Flur und wurden dann auf dem Speicher gelagert, bis jemand käme, um John Rameys persönliche Habe abzuholen. Es kam nie jemand.
    Brawley beschwerte sich weiterhin über das Essen. Er kritisierte den Zustand seiner Wäsche, den Staub auf den Möbeln in seinem Zimmer und alles andere, von dem er wusste, dass es von der dunkelhäutigen Frau getan wurde. Mrs. Crowley hatte ihre Reaktion zu einer hohen Kunst entwickelt. Sie schüttelte stets ungläubig den Kopf, setzte ihre aufmerksamste Miene auf und versprach, für Abhilfe zu sorgen oder das Mädchen zu entlassen. Beatrice nahm sich alle Kommentare von Brawley anfänglich sehr zu Herzen und war bedrückt, weil sie es einem der Mieter nicht recht machte. Doch nach und nach kam sie zu der Erkenntnis, dass sie Brawley nur zufrieden stellen könnte, wenn sie verschwände oder ihre Haut weiß anmalte.
    John Rameys Zimmer wurde schließlich an eine berufstätige Frau vermietet, die Kenneth und Charles empfohlen hatten. Sie arbeitete in einem Modegeschäft in der Innenstadt und zahlte zwei Monatsmieten im voraus, was allen Fragen der Vermieterin ein Ende setzte.
    Helena war sehr groß und dünn. Sie trug die feinsten Kleider und hatte so viele, dass sie aus dem Geschäft zwei eiserne Gestelle für ihre Schuhe, Hüte und sonstigen Sachen mitbringen musste. Sie trug sehr dick aufgelegtes Make-up und tiefroten Lippenstift und hatte lange Fingernägel. Für jede Farbe ihrer Garderobe hatte sie eine komplette Garnitur passenden Schmucks. Sie führte ein reges gesellschaftliches Leben. Beatrice hörte ihre hohen Absätze zu allen Stunden über den Gehweg zur Haustür klappern, wenn sie die Pension Crowley betrat oder verließ.
    Beatrice verbrachte so viel Zeit auf dem Dach, dass sie über jedermanns Kommen und Gehen Bescheid wusste. Sie erkannte alle an ihren Schritten. Sie wusste sogar, dass der Mann, der jeden Tag in der Morgendämmerung die Milch brachte und in den Metallkasten stellte, damit sie kalt und frisch bliebe, derselbe Mann war, der leise über die hintere Veranda kam und durch die Tür eingelassen wurde, die die gute Daphne mit ihrem Messingschlüssel so sorgfältig hütete.
    Das erste Jahr bei Mrs. Crowley kam und ging. Daphne fing endlich an, ihre Angestellte zu bezahlen. Niemand fragte Beatrice jemals, ob sie glücklich sei, und auch sie selbst stellte sich diese Frage selten. Sie las die Zeitung und hörte zu, wenn die Mieter sich unterhielten, also war sie sich der Ereignisse der Welt bewusst. Aber alle rassischen Spannungen in der Stadt blieben unerwähnt. Tatsächlich schien sich der ganze Kontinent Australien keiner Konflikte zwischen Schwarz und Weiß bewusst zu sein.
    Kirschrot glühten die Bremslichter des schnellen 1953er-Chevrolet-Sportwagens auf, als

Weitere Kostenlose Bücher