Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traumreisende

Traumreisende

Titel: Traumreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
Vom Netzwerk:
haben, sondern hatte sie eher als Bestechung empfunden, damit er die Finger von der Tochter des Farmers ließ. Vermutlich waren sie ohnehin nicht viel wert. Er würde die Manschettenknöpfe und die Krawattennadel einfach als Bezahlung für seine Freiheit ansehen. Die Entscheidung war leicht. Er wählte den Weg der Unterwerfung und ging.
    Zum ersten Mal in seinem Leben sah er das Wort »Feigling« in einem neuen Licht. Vielleicht war es unter bestimmten Umständen klüger, den anderen gewinnen zu lassen. Vielleicht sollte man die Sache von beiden Seiten betrachten, innerlich und äußerlich, also sowohl in sich hineinschauen als auch die äußere Situation beobachten und weise handeln.
    Geoff erschrak über sich selbst. Wenn er nicht trank, hatte er schwerwiegende Gedanken. Zu schwerwiegend. Er ertappte sich dabei, dass er Fragen stellte und nach Antworten suchte, von denen er nicht einmal gewusst hatte, dass sie ihn interessierten. Er wusste, dass er unten im Schuh einen Fünfdollarschein hatte. Den hatte er vor Harry versteckt. Er blieb stehen und nahm ihn heraus.
    Ich werde mir ein oder zwei Bier kaufen, dachte er, dann hören alle diese Gedanken in meinem Kopf auf. Und das tat er.
    Als sie achtzehn war, in ihrem zweiten Arbeitsjahr, besaß Beatrice die perfekte Routine in all ihren Aufgaben. Sie stellte fest, dass sie zusätzliche Zeit herausschinden und nach ihrem Gutdünken verwenden könnte, solange sie das als Arbeit ausgab. Sie fing an, auf unterschiedlichen Wegen zum Einkaufen zu gehen, und wagte sich weiter und weiter in andere Stadtteile vor. Das Busfahren schüchterte sie nicht mehr ein. Sie trug das Fahrgeld in Münzen bei sich und zählte es genau ab, so dass sie sich, wenn sie eingestiegen war, ruhig allein irgendwo hinsetzen, vor sich hin schauen und ohne Zwischenfälle ihr Ziel erreichen konnte. Bei einer dieser Forschungsreisen entdeckte sie einen Stadtteil, in dem nur Aborigines wohnten. Dort gab es keine gepflegten Rasenflächen, keine Blumenkästen, keine bunten Beete, wo man Besucher begrüßen konnte, die sich dem Vordereingang näherten. Die ganze Gegend bestand aus alten, verkommenen Häusern; bei vielen waren die Fenster zersplittert. Zerbrochene Holzkisten und Metallstücke lagen herum. Butterbrotpapier, leere Coladosen und anderer Abfall sammelten sich an den Mauern und in den Rinnsteinen.
    Immer saßen da Leute auf den Treppenstufen, unter Bäumen und auf dem Gehsteig. Als sie eine Gruppe Kinder dort spielen sah, setzte sie sich hin, um sich auszuruhen und sie zu beobachten. Eine junge Frau, die etwa in ihrem Alter zu sein schien, kam zu ihr und fragte: »Ist eins davon deins?«
    »Nein«, antwortete Beatrice. »Ich habe keine Kinder.«
    »Der da ist meiner«, sagte die Frau und zeigte auf einen kleinen Jungen, der kurze rote Hosen trug und einen dichten Schöpf lockiger Haare hatte. »Ich glaube, ich hab' dich hier noch nie gesehen. Bist du neu?«
    »Ja, ich arbeite in einer Pension, und ich habe nicht viel von der Stadt gesehen, also bin ich einfach so herumgelaufen.«
    »Du arbeitest, sagst du? Du hast einen richtigen Job?« fragte das Mädchen.

    Durch dieses Zusammentreffen mit Pansy, der jungen Mutter, lernte Beatrice eine ganze Gruppe der Gesellschaft kennen, von der sie nichts gewusst hatte. Die Leute waren in zweiter, dritter und vierter Generation hier in dieser abgelegenen Gemeinschaft oder ganz in der Nähe geboren. Die Urgroßeltern waren vom Land vertrieben worden, als die weißen Siedler gekommen waren. Man hatte ihnen Tee, Zucker, Mehl und Tabak dafür gegeben, dass sie das Land, ihre Lebensweise und all ihre Überzeugungen und Bräuche aufgegeben hatten.
    Sie kampierten an den Rändern der Stadt und sahen zu, wie sie sich entwickelte. Mit der Zeit war die weiße Bevölkerung umgezogen und hatte ihre Häuser aufgegeben. Da die untersten Klassen der weißen Zivilisation nicht mit den Schwarzen hatten leben wollen, war die Gegend zu einem reinen Aborigine-Viertel geworden.
    Im Jahre 1954 sah Beatrice, dass Schulen errichtet wurden, um ihr Volk zu unterrichten, dass die Waisenhäuser der Mission eins nach den anderen geschlossen wurden und dass die Aborigines von der Sozialfürsorge unterstützt wurden. Man sprach auch über gleiche Rechte für alle, indem der Verkauf von Alkohol an die Aborigines legalisiert werden sollte. Gleiches Wohnrecht und gleiche Chancen auf Arbeit sowie eine Kampagne zur Überwindung des Rassismus lagen noch in weiter Ferne.
    Beatrice arbeitete bei

Weitere Kostenlose Bücher