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Traumsammler: Roman (German Edition)

Traumsammler: Roman (German Edition)

Titel: Traumsammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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tief ernüchternd. Das ist also das Altern, denkt sie, als sie Isabelle in den Laden folgt, diese Zufallsmomente, die einen kalt erwischen.
    Bei ihrer Rückkehr zum Ferienhaus stellen sie fest, dass die Männer schon wieder da sind.
    »Papa wird alt«, sagt Alain.
    Eric, der an der Bar eine Karaffe mit Sangria mixt, verdreht die Augen und zuckt gutmütig mit den Schultern.
    »Ich dachte schon, ich müsste dich tragen, Papa.«
    »Gib mir zwölf Monate Zeit. Wenn wir in einem Jahr wieder hier sind, jage ich dich rund um die Insel, mon pote .«
    Doch sie kehren nicht nach Mallorca zurück. Sie sind kaum eine Woche in Paris, da erleidet Eric einen Herzinfarkt. Es passiert bei der Arbeit, während eines Gesprächs mit einem Beleuchter. Er übersteht den Infarkt, hat während der nächsten drei Jahre aber zwei weitere, und der letzte erweist sich als tödlich. Pari wird mit achtundvierzig Witwe.
    * * *
    An einem Frühlingstag des Jahres 2010 erhält Pari einen Anruf aus Übersee. Dieser Anruf kommt nicht überraschend, ganz im Gegenteil: Pari hat sich den ganzen Vormittag darauf vorbereitet. Sie sorgt dafür, dass sie allein in der Wohnung ist, was bedeutet, dass Isabelle früher als gewöhnlich gehen muss. Isabelle und Albert, ihr Mann, wohnen gleich nördlich der Île Saint-Denis, wenige Straßen von Paris Ein-Zimmer-Wohnung entfernt. Isabelle schaut jeden zweiten Morgen, nachdem sie ihre Kinder zur Schule gebracht hat, bei Pari vorbei, bringt ihr Baguette und frisches Obst. Pari ist noch nicht an den Rollstuhl gefesselt, obwohl sie sich darauf gefasst macht. Sie musste wegen ihrer Krankheit im Vorjahr zwar vorzeitig in den Ruhestand, kann aber noch allein auf den Markt gehen und ihren täglichen Spaziergang machen. Ihre Hände bereiten ihr die meisten Probleme, Hände, die sich an schlechten Tagen anfühlen, als wären die Gelenke von Kristallen umschlossen. Pari trägt draußen immer Handschuhe, um ihre Hände warmzuhalten, vor allem jedoch, weil sie sich für ihre knotigen Finger schämt, für die nicht mehr rückgängig zu machende Verformung ihres linken kleinen Fingers, die der Arzt »Schwanenhalsdeformität« nennt.
    Ach, die Eitelkeit , sagt sie zu Colette.
    Isabelle hat ihr heute Morgen Feigen, Seife, Zahncreme und eine Tupperdose mit Kastaniensuppe gebracht. Albert möchte diese Suppe den Eigentümern des Restaurants, in dem er als Sous-Chef arbeitet, gern als neue Vorspeise vorschlagen. Isabelle erzählt beim Auspacken der Tüten von einem neuen Auftrag, den sie an Land gezogen hat. Sie schreibt Musik für Fernsehshows und Werbespots und bald, so hofft sie, auch für Filme. Sie soll für eine Miniserie arbeiten, die gerade in Madrid gedreht wird.
    »Fährst du hin?«, fragt Pari. »Nach Madrid?«
    » Non . Das Budget ist zu gering, um die Reisekosten abzudecken.«
    »Schade. Du hättest bei Alain wohnen können.«
    »Oh, Maman, wie sollte das gehen? Der arme Alain. Er hat ja kaum Platz, um die Beine auszustrecken.«
    Alain ist Finanzberater. Er wohnt mit seiner Frau Ana und vier Kindern in einer winzigen Wohnung in Madrid. Er mailt Pari regelmäßig Fotos und kurze Videoclips der Kinder.
    Pari fragt, ob Isabelle etwas von Thierry gehört hat, aber Isabelle verneint. Thierry arbeitet im Osten des Tschad in einem Camp für Flüchtlinge aus Darfur. Pari weiß das, weil Thierry sich ab und zu bei Isabelle meldet, der Einzigen, zu der er noch Kontakt hat. So ist Pari einigermaßen über das Leben ihres Sohnes im Bilde, weiß auch, dass er eine Weile in Vietnam gelebt hat und mit Anfang zwanzig kurz mit einer Vietnamesin verheiratet war.
    Isabelle setzt Wasser auf und holt zwei Tassen aus dem Schrank.
    »Heute nicht, Isabelle. Ich muss dich leider bitten, jetzt zu gehen.«
    Isabelle schaut verletzt drein, und Pari wirft sich insgeheim vor, zu barsch gewesen zu sein. Isabelle war schon immer sehr empfindlich.
    »Es ist nur so, dass ich einen Anruf erwarte und deshalb gern allein sein möchte.«
    »Einen Anruf? Von wem?«
    »Das erzähle ich dir später«, sagt Pari.
    Isabelle verschränkt die Arme grinsend vor der Brust. »Hast du etwa einen Liebhaber, Maman?«
    »Einen Liebhaber. Bist du blind? Hast du mich in letzter Zeit mal angeschaut?«
    »An dir gibt es nichts auszusetzen.«
    »Bitte geh jetzt. Ich verspreche, dir später alles zu erklären.«
    » D’accord, d’accord .« Isabelle greift nach Handtasche, Mantel und Schlüsseln. »Aber du weißt schon, dass ich rasend neugierig bin.«
    Der Mann, der um

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