Traumschlange (German Edition)
Hafengassen. Zahlreiche Pärchen waren unterwegs, junge Männer und Frauen, die eng umschlungen die Straßen entlang spazierten. Die Luft roch nach dem nahen Meer und war erfüllt von karibischer Musik, die aus Cafes und Bars nach draußen drang. Abby beobachtete erstaunt, dass viele der Passanten auf der Straße dazu tanzten. Ein Lächeln erschien in ihrem Gesicht.
„Haben Sie Hunger?“, fragte Patrick.
„Oh ja.“
„Dann wollen wir etwas essen.“
Er führte sie zu einem kleinen Straßenstand, hinter dem ein hutzliger Mann in einen massiven, schwarzen Topf rührte, der von einem offenen Grill erhitzt wurde. Der Duft, der Abby entgegen wehte, ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.
„Was kocht er da?“, fragte sie.
„Colombo. Ein kreolisches Curry.“ Patrick gab die Bestellung für zwei Portionen auf. „In Pétonville zahlen Sie dafür ein Vermögen, aber glauben Sie mir, hier gibt es das beste Colombo der ganzen Insel.“
Der Verkäufer schöpfte zwei Plastikteller voll, reichte ihnen Löffel und Servietten, bevor er mit einer eleganten Verbeugung die Bezahlung entgegen nahm und sich überschwänglich für das großzügige Trinkgeld bedankte.
Vorsichtig die Teller balancierend, gingen Patrick und Abby ein paar Meter weiter und setzten sich auf die Hafenmauer.
„Es schmeckt köstlich“, versicherte Abby, nachdem sie den ersten Löffel probiert hatte. Patrick zwinkerte ihr zu, widmete sich dann aber mit Hingabe seinem eigenen Essen.
Gesättigt brachten sie die Teller und das Besteck zurück zum Stand, wo inzwischen eine lange Menschschlange anstand. Der Verkäufer bedankte sich nochmals und winkte ihnen hinterher, als sie ihren Bummel durch die Gassen fortsetzten.
Les Cayes war nicht unbedingt hübsch zu nennen. Auch hier zeigten sich deutlich der Verfall und die Armut der Menschen, aber die Stimmung auf den Straßen war wesentlich freundlicher als in Port-au-Prince. Niemand starrte Abby auffällig an, obwohl hier kaum Weiße unterwegs waren. Patrick erklärte ihr, dass es in der Hauptstadt um diese Uhrzeit keineswegs ratsam war, durch die Straßen zu spazieren und das weiße Touristen nachts dort um ihr Leben fürchten mussten.
„Warum ist es hier anders?“, wollte Abby wissen.
Patrick zuckte mit den Schultern. „Die Menschen von Les Cayes sind ein besonderer Schlag. Manchmal habe ich das Gefühl, es sind gar keine Haitianer. Sie sind offen und warmherzig. Vielleicht liegt es daran, dass sie in einer alten Hafenstadt leben und seit Jahrhunderten daran gewöhnt sind, Fremde aufzunehmen.“
„Woher stammen Sie?“
„Aus Trou du Nord, nicht weit von Cap Haïtien entfernt.“
„Wie ist es dort?“, wollte Abby wissen.
„Anders“, meinte Patrick einsilbig.
Offensichtlich war dies ein wunder Punkt. Abby beschloss, das Thema ruhen zu lassen und fragte stattdessen: „Was ist den nun Merengue?“
Ein Lächeln glitt über sein Gesicht. „Kommen Sie mit.“
Es war nur eine kleine Bar, aber man hatte die Tische zur Seite gestellt, um eine Tanzfläche zu schaffen. Die Glastüren des Eingangs waren zur Seite geschoben worden, damit die Tanzpaare draußen auf der Veranda zusätzlichen Platz fanden. Patrick führte Abby in die Mitte des Raumes. Er lächelte nach links und rechts, begrüßte Bekannte auf Kreolisch, die ihrerseits ihnen freundlich zuwinkten. Direkt neben der Theke hatte eine dreiköpfige Combo Aufstellung genommen und begann nun ein Lied zu spielen.
Patrick umfasste Abbys Hüfte mit der einen Hand, während sich seine andere um ihre Finger schlossen.
„Und jetzt?“, fragte Abby.
„Schließen Sie die Augen und fühlen den Rhythmus.“
Abby zögerte einen Moment, aber dann gab sie seiner Aufforderung nach. Patrick zog sie enger an sich und machte den ersten Tanzschritt. Unbewusst folgte Abby der Bewegung, aber dann stolperte sie über seine Füße. Sie schlug die Augen auf.
„Nein“, sagte Ferre sofort. „Lassen Sie die Augen geschlossen. Sie müssen die Musik spüren.“
„Ich werde sie verletzten“, lachte Abby.
„Nein, dass werden Sie nicht.“
Abby schloss erneut die Augen. Der heiße Rhythmus durchflutete ihren Körper, wie eine Meereswelle, die an Land strömt. Patricks nächste Bewegung ahnte Abby mehr, als dass sie sie spürte. Automatisch machte sie den richtigen Schritt. Er führte ihren Körper in eine wilde Drehung und es war als könne sie fliegen. Völlig schwerelos. Der Boden bewegte sich unter ihren Füssen, während sie selbst
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