Traumschlange (German Edition)
dass er sie nicht verstehen konnte.
„Was haben Sie gesagt?“, fragte der Fahrer.
„Der Preis geht in Ordnung.“
Als Abby schließlich, über eine Stunde später, erschöpft in ihr Bett sank, schwor sie sich, dieses verfluchte Land mit dem nächsten Flug zu verlassen.
11. Der Morgen danach
Abby erwachte mit einem schalen Geschmack im Mund. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es erst 8.30 Uhr war. Sie hatte kaum drei Stunden geschlafen und sie fühlte sich wie erschlagen. Müde tappte sie ins Bad hinüber. Ihr Spiegelbild zeigte eine junge Frau mit eingefallenen Wangen und tiefen Ringen unter den Augen. Der Anblick brachte die Erinnerung an die letzte Nacht zurück. Übelkeit stieg in ihr auf. Der Brechreiz war so stark, dass sie sich in die Toilettenschüssel übergeben musste.
Nach mehrfachem Würgen war es vorbei. Abby ging zurück zum Waschbecken. Das Wasser war nur lauwarm, aber es erfrischte sie dennoch. Mit beiden Händen schöpfte sie das Nass und spritzte es sich ins Gesicht.
Beim Zähneputzen überfielen Abby erneut die Ereignisse im Voodootempel. Wie hatte sie sich nur so gehen lassen können? Sie fühlte sich missbraucht. Beschmutzt. Und alles Wasser dieser Welt konnte diesen Schmutz nicht wegwaschen. Sie war wie im Rausch gewesen. Betäubt, so als habe sie Drogen genommen und Patrick hatte diese Gelegenheit genutzt, um sie zu verführen. Und das vor den Augen aller anderen.
Warum hat er das getan?, fragte sie sich stumm. Ich hätte mich ihm hingeben. Mein Gott, ich war drauf und dran, mich in ihn zu verlieben. Und dann das!
Patrick hatte gesagt, er wolle ihr Haiti von einer anderen Seite zeigen. Die Magie und den Zauber der Karibikinsel spürbar werden lassen, aber die Erlebnisse der letzten Nacht hatten Abscheu in Abby geweckt.
Dabei war es ein schöner Abend gewesen. Die Atmosphäre beim Hahnenkampf. Die kleine Stadt am Meer, die erfüllt war vom Pulsschlag des Lebens. Die Stunden, die sie getanzt hatten. Eng umschlungen, den Rhythmus der Nacht fühlend.
Warum hatte Patrick sie nur in diesen Tempel geschleppt? Was für eine Art Mensch war er, dass er sich solcher Tricks bediente, wenn er jemanden begehrte? Oder verstand sie ihn schlichtweg nicht?
Wie auch immer, Abby hatte nicht vor, ihn nochmals wiederzusehen. Nicht nach der letzten Nacht. Sie konnte ihm nicht mehr in die Augen blicken, ohne an ihre Scham erinnert zu werden.
Nein, sie wollte nur noch weg aus diesem Höllenloch von einem Land. Im Bademantel ging sie zum Telefon hinüber und ließ sich von Richard Morse mit dem Flughafen verbinden.
„Bonjour“, meldete sich eine freundliche Stimme.
„Entschuldigung, sprechen Sie Englisch?“, fragte Abby.
„Ja, Madame“, kam es zurück.
Gott sei Dank, dachte Abby. Alles hätte sie jetzt gebrauchen können, nur nicht irgendwelche Schwierigkeiten beim bestätigen ihres Rückfluges.
„Wann geht morgen der erste Flug nach Santa Domingo?“
Die Antwort kam prompt. „Um 10.30 Uhr.“
„Können Sie mich für diesen Flug buchen?“ Abby gab ihren Namen und ihre Ticketnummer durch.
„Oui, Madame.“
„Gut. Danke schön.“
Sie legte den Hörer zurück auf die Gabel und dachte darüber nach, was sie noch alles zu erledigen hatte, bevor sie abreisen konnte. Zunächst musste sie zum Gesundheitsamt, um die sterblichen Überreste ihrer Schwester abzuholen. Anschließend wollte Abby noch bei der Britischen Botschaft vorbeigehen. Sie musste die Behörden über die mysteriösen Vorkommnisse informieren, die sich um Lindas Tod spannten. Außerdem wollte sie nachfragen, was mit den persönlichen Gegenständen ihrer Schwester geschehen war. Linda hatte hier über ein Jahr lang gelebt. Abby wollte die Adresse herausfinden und Lindas Besitz nach England schicken. Sie erwartete keine Wertsachen, aber alles, was Linda mit nach Haiti gebracht hatte, sollte zurück in die Heimat kehren.
Das Telefon klingelte. Es war der Hotelbesitzer, der fragte, wann sie ihr Frühstück zu sich nehmen wollte. Abby erklärte ihm, dass sie auf das Frühstück verzichtete und ordnete an, ihr ein Taxi zu bestellen.
Nachdem ihr Rückflug gebucht und bestätigt war, fühlte sich Abby besser. Bald würde sie wieder in England sein und das Geschehen hier vergessen, falls sie es jemals vergessen konnte.
Sie öffnete den eingelassenen Wandschrank. Auf mehreren Metallbügeln hingen ordentlich ihre Kleider, Blusen und Hosen. Abby entschied sich trotz der draußen herrschenden Hitze für eine lange
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