Traumschlange
er.
Sie musterte ihn verwundert. »Das ist nicht ganz das, was ich meine.« Ihr Tonfall erreichte den Ausdruck von Verärgerung nicht vollständig; er blieb etwas milder, veränderte sich jedoch deutlich genug, daß Arevin spüren konnte, es hatte irgend etwas nicht seine Richtigkeit.
»Ich verstehe nicht, was du meinst.«
»Wie sagt man das bei euch? Ich finde dich anziehend. Ich frage dich, ob du heute nacht mit mir die Bettstatt teilen möchtest.«
Arevins Miene blieb gleichmütig, während er Jean ansah, aber er verspürte höchste Verlegenheit. Er hoffte, daß er nicht errötete. Sowohl Thad wie auch Larril hatten ihm derartige Fragen gestellt, und ihr Sinn war ihm entgangen. Er hatte sie unumwunden abgewiesen, und sie mußten ihn im günstigsten Fall für unhöflich gehalten haben. Arevin hoffte, daß sie inzwischen begriffen hatten, daß er sie nicht verstehen konnte, weil er andere Sitten pflegte.
»Ich bin gesund, falls du dich deswegen sorgst«, erklärte Jean mit einer gewissen Schroffheit. »Und meine Biokontrolle ist ausgezeichnet.«
»Ich bitte dich um Entschuldigung«, sagte Arevin. »Ich hatte dich überhaupt nicht verstanden. Ich fühle mich durch deine Einladung geehrt und zweifle weder an deiner Gesundheit noch deiner Biokontrolle. Du müßtest auch an mir in dieser Beziehung nicht zweifeln. Aber wenn ich dich damit nicht beleidige, möchte ich ablehnen.«
»Macht nichts«, sagte Jean. »Es fiel mir nur so ein.«
Arevin spürte, daß sie gekränkt war; nachdem er schon Thad und Larril unbeabsichtigt so kühl abgewiesen hatte, fühlte er sich zumindest Jean gegenüber zu einigen Worten der Erläuterung verpflichtet. Er war sich nicht sicher, wie er ihr seine Empfindungen einsichtig darlegen sollte, weil er gar nicht davon überzeugt war, daß er selbst sie verstand.
»Ich finde dich ebenfalls sehr anziehend«, sagte Arevin. »Ich möchte keinesfalls, daß du nun deinerseits mich mißverstehst. Es wäre nicht richtig, die Bettstatt mit dir zu teilen. Meine Aufmerksamkeit wäre... woanders.«
Durch die Hitze des Feuers betrachtete Jean ihn. »Wenn du‘s wünschst, kann ich Kev wecken.«
Arevin schüttelte den Kopf. »Danke. Aber ich habe gemeint, daß meine Gedanken woanders als in diesem Lager wären.«
»Ach so«, sagte sie in plötzlichem Begreifen. »Jetzt verstehe ich. Ich kann es dir nicht übelnehmen. Ich hoffe, daß du sie bald findest.«
»Ich hoffe, daß ich dich nicht beleidigt habe.«
»Schon recht«, sagte Jean ein wenig versonnen. »Vermutlich ändert es nichts, wenn ich dir sage, daß ich kein dauerhaftes Verhältnis suche? Nicht einmal etwas, das über diese Nacht hinausgeht?«
»Nein, nichts«, antwortete Arevin. »Ich bedaure, aber es ist das gleiche.«
»Nun gut.« Sie nahm ihre Decke und entfernte sich an den Rand des Feuerscheins. »Schlafe gut.«
Später, als er in sein Bettzeug eingehüllt lag – die Decken vermochten die Kälte nicht ganz fernzuhalten –‚ überlegte Arevin, wie angenehm und warm es wäre, jetzt neben einem anderen Menschen zu liegen. Er hatte im Laufe seines Lebens dann und wann zufällige Beischläfer aus seinem und anderen Klans gehabt, aber bis er Schlange kennenlernte, war er niemandem begegnet, den er gerne zum Gefährten genommen hätte. Seit er sie gesehen hatte, empfand er kein Verlangen nach anderen Menschen; und was noch seltsamer war, bisher war es ihm gar nicht aufgefallen, daß andere ihn nicht länger anzogen. Er lag auf dem harten Untergrund und dachte über all das nach; er versuchte, sich damit abzufinden, daß er dafür, daß Schlange für ihn mehr empfand als lediglich beiläufiges Interesse, keine weiteren Beweise hatte als eine flüchtige Berührung und ein paar mehrdeutige Worte. Doch er durfte hoffen.
Lange Zeit hindurch bewegte sich Schlange nicht; sie dachte sogar, sie könne sich überhaupt nicht länger bewegen. Ständig erwartete sie den Anbruch der Morgendämmerung, aber es blieb Nacht. Vielleicht hatten Norths Leute die Felskluft abgedeckt, um ihre Gefangenen im Finstern zu halten, vermutete sie einmal, aber sie wußte, daß das ein lächerlicher Einfall war, und wäre es nur, weil doch North am Morgen hinabschauen können wollte, um sie auszulachen.
Während sie über die Dunkelheit nachgrübelte, glomm oben plötzlich Licht auf. Sie blickte empor, sah jedoch nur verwaschene Dinge und Schatten; sie vernahm sonderbare Geräusche, die immer lauter ertönten. Taue und Holz schleiften an der Felswand
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