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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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entlang, und Schlange fragte sich, welcher arme Krüppel wohl Norths Gnade gefunden haben mochte. Doch dann, als eine Plattform herabschwebte, abgeseilt über Rollen, sah sie North persönlich kommen. Sie konnte weder Melissa noch fester an sich drücken, noch sie vor ihm verbergen, sie vermochte auch keinen Widerstand zu leisten. Norths Lichter erhellten den Felsspalt; die Helligkeit blendete Schlange, machte sie benommen. North verließ die Plattform, sobald die Zugseile an deren Ecken erschlafften. Zu seinen Seiten gesellten sich zwei seiner Anhänger, die Laternen trugen. Zwei Schattengebilde glitten näher, kräuselten sich an der Felswand. Als North nahe genug war, beleuchtete der Lichtschein ihn und Schlange, und sie konnte sein Gesicht sehen. Er lächelte.
    »Meine Traumschlangen mögen dich«, sagte er und nickte hinunter auf ihre Füße, um deren Waden sich Schlangen wanden, bis hinauf in halbe Kniehöhe.
    »Aber du darfst nicht so selbstsüchtig sein.«
    »Melissa will sie nicht«, sagte Schlange.
    »Ich muß sagen«, entgegnete er, »daß ich nicht damit gerechnet habe, dich bei so klarem Verstand anzutreffen.«
    »Ich bin eine Heilerin.«
    North schaute ein wenig bösartig drein und überlegte.
    »Ach. Ich verstehe. Ja, daran hätte ich sofort denken sollen. Du dürftest resistent sein, oder nicht?«
    Er nickte seinen Leuten zu; sie stellten ihre Laternen ab und kamen heran. Das Licht erhellte Norths Gesicht von unten, überzog seine papierweiße Haut mit seltsamen schwarzen Schatten. Schlange wich vor seinen Anhängern zurück; aber in ihrem Rücken war Fels, sie konnte nicht entweichen. Norths Leute bewegten sich zwischen den schartigen Steinen und den Traumschlangen sehr vorsichtig. Im Gegensatz zu Schlange trugen sie schweres Schuhwerk. Der eine Mann schickte sich an, ihr Melissa zu entreißen. Schlange fühlte die Schlangen sich von ihren Knöcheln lösen, hörte sie über das Gestein schleichen.
    »Fort!« schrie Schlange, aber eine ausgemergelte Hand versuchte ihr Melissa zu entwinden. Schlange beugte sich vor und biß hinein. Das war die einzige Hilfsmaßnahme, die ihr gegenwärtig einfiel. Sie fühlte, wie das kühle Fleisch zwischen ihren Zähnen nachgab, bis sie auf Knochen stieß; sie schmeckte warmes Blut. Sie wünschte, sie besäße schärfere Zähne, spitze Zähne mit Giftkanälen. So jedoch konnte sie nur hoffen, daß sich die Wunde entzündete. Norths Gefolgsmann fuhr mit einem Aufkrächzen zurück, riß seine Hand los, und Schlange spie sein Blut aus. Ein kurzes Handgemenge entstand, als North und die anderen sie am Haar, an den Armen und der Kleidung packten und sie festhielten, während sie ihr Melissa wegnahmen. North verschlang seine langen Finger in ihr Haar und drückte ihren Kopf an die Felswand, damit sie nicht nochmals beißen könne. Sie zerrten sie aus dem Winkel der Felsspalte. Sie rang mit ihnen und taumelte; einer von Norths Männern entfernte sich mit Melissa zur Plattform. North ruckte erneut an Schlanges Haar und bog ihren Kopf nach hinten. Ihre Knie gaben nach. Sie versuchte sich aufzuraffen, aber ihre Kräfte waren dahin, sie vermochte die Schwächung infolge der Wunde und die Erschöpfung nicht zu überwinden.
    Sie sackte auf den Felsboden nieder, die linke Hand auf die rechte Schulter gepreßt, und Blut sickerte zwischen ihren Fingern hindurch. North ließ Schlanges Haar los und ging zu Melissa; er betrachtete ihre Augen und fühlte ihren Puls. Er schaute sich nach Schlange um.
    »Ich habe dir doch gesagt, du sollst sie nicht von meinen Tieren fernhalten.«
    Schlange hob den Kopf. »Warum willst du sie umbringen?«
    »Umbringen?! Ich? Du weißt kein Zehntel dessen, was du zu wissen glaubst. Du bist es, die sie in Gefahr gebracht hat.«
    Er entfernte sich von Melissa und kam zurück zu Schlange, bückte sich und fing mehrere Traumschlangen ein. Er hielt sie vorsichtig, so daß sie nicht zubeißen konnten, und tat sie in einen Korb.
    »Ich muß sie mit hinauf nehmen, um ihr Leben zu retten. Sie wird es dir verübeln, daß du ihr das erste Traumerlebnis verdorben hast. Ihr Heiler strotzt vonÜberheblichkeit.«
    Schlange überlegte, ob er mit dem Vorwurf der Überheblichkeit möglicherweise recht hatte; falls ja, dann war er vielleicht auch in bezug auf Melissa im Recht, in bezug auf alles andere. Sie konnte nicht klar genug denken, um ihm zu widersprechen.
    »Sei gut zu ihr«, flüsterte sie.
    »Keine Sorge«, erwiderte North. »Bei mir wird sie glücklich sein.«
    Er

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