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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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Mißtrauen, vielleicht aber auch nur Vorsicht. War es möglich, daß sie Schlange doch gesehen hatten? Arevin fühlte sich durchaus dazu imstande, einem Fremden freche Fragen zu stellen, um einen Heiler zu schützen. Und für Schlange würde er noch erheblich mehr tun.
    »Ja«, antwortete er. »Eine Heilerin. Eine Freundin. Ihr Pferd ist grau, sie hat außerdem ein Tigerpony, und ein Kind begleitet sie. Sie müßte aus dem Norden gekommen sein, zurück aus der Wüste.«
    »Ist sie aber nicht.«
    »Jean!«
    Jean schnitt ihrem Bruder eine böse Miene.
    »Kev, er sieht nicht aus wie jemand, der ihr etwas antäte. Vielleicht sucht er sie für einen Kranken.«
    »Und vielleicht ist er statt dessen ein Freund des Verrückten«, entgegnete ihr Bruder. »Warum also suchst du sie?«
    »Ich bin ein Freund der Heilerin«, sagte Arevin beunruhigt. »Habt ihr den Verrückten gesehen? Ist Schlange wohlauf?«
    »Er ist in Ordnung«, sagte Jean zu Kev.
    »Er hat meine Frage nicht beantwortet.«
    »Er sagt, daß er ihr Freund ist. Vielleicht geht es dich nichts an, warum er sie sucht.«
    »Nein, dein Bruder hat das Recht, mich danach zu fragen«, sagte Arevin. »Vielleicht sogar die Verpflichtung. Ich suche Schlange, weil ich ihr meinen Namen anvertraut habe.«
    »Und wie lautet dein Name?«
    »Kev!« rief Jean bestürzt.
    Erstmals seit dem Zusammentreffen mit den beiden lächelte Arevin. Allmählich gewöhnte er sich an andersartige Bräuche.
    »Das ist etwas«, erwiderte er freundlich, »das ich keinem von euch verriete.«
    Verlegen runzelte Kev die Stirn. »Gewöhnlich wissen wir uns anständiger zu benehmen«, sagte Jean. »Aber wenn man für einige Zeit fern von allen Menschen gewesen ist, kann man das schon einmal vergessen.«
    »Schlange befindet sich also auf dem Rückweg«, sagte Arevin, und seine Stimme klang aus Erregung und Freude leicht gepreßt. »Ihr habt sie gesehen. Wann?«
    »Gestern«, sagte Kev. »Aber sie zieht nicht in diese Richtung.«
    »Sie ist in den Süden unterwegs«, sagte Jean.
    »In den Süden!«
    Jean nickte. »Wir haben die Herde von der Alm geholt, ehe es zu schneien anfängt. Auf dem Rückweg ist sie uns begegnet. Sie kaufte uns eines unserer Packpferde für den Verrückten zum Reiten ab.«
    »Aber wieso reitet sie mit dem Verrückten durchs Land? Er hat sie doch überfallen! Seid ihr sicher, daß er sie nicht zwingt, ihn zu begleiten?«
    Jean lachte. »Nein, Schlange hatte ihn völlig in der Hand. Daran gibt es keinen Zweifel.«
    Arevin bezweifelte ihre Auskunft nicht, und daher konnte er nun seine schlimmste Sorge vergessen. Aber ihm war noch immer nicht wohl zumute.
    »In den Süden«, sagte er. »Was liegt südlich von hier? Ich dachte, dort gäbe es keine Ortschaften?«
    »Dort sind auch keine. Wir kommen im Süden mindestens ebenso weit herum wie andere Leute. Wir waren überrascht, sie hier zu treffen. Kaum irgendwer benutzt den Südpaß noch, selbst aus der Richtung der Stadt nicht. Aber sie hat uns nicht gesagt, wohin sie unterwegs ist.«
    »Weiter als wir geht niemand nach Süden«, sagte Kev. »Es ist dort gefährlich.«
    »In welcher Hinsicht?« Kev hob die Schultern. »Beabsichtigst du, ihr zu folgen?« fragte Jean.
    »Ja.«
    »Na gut. Aber jetzt ist es an der Zeit für das Nachtlager. Willst du mit uns rasten?«
    Arevin blickte an ihnen vorbei nach Süden. Es stimmte; die Schatten der Berge krochen über die Lichtung, und es dämmerte.
    »Es ist wahr«, sagte Kev, »heute abend kommst du nicht viel weiter.«
    »Und dies ist der beste Lagerplatz innerhalb eines halben Tagesritts.«
    Arevin seufzte. »Also gut«, sagte er. »Ich danke euch. Ich werde in dieser Nacht hier rasten.«
     
    Die Wärme des Feuers, das inmitten ihres Lagers knisterte, war Arevin sehr willkommen. Das duftige Brennholz knackte und sprühte Funken. Die Herde von Bergwild stand als düsterer, unruhiger Schatten in der Mitte der Wiese, völlig lautlos; dagegen stampften die Pferde gelegentlich mit einem Huf auf, und sie grasten geräuschvoll, rupften die saftigen Grashalme mit den Zähnen aus. Kev hatte sich bereits in seine Decken gehüllt und schnarchte gedämpft am Rand des Feuerscheins. Jean saß Arevin gegenüber, die Knie angezogen, rotes Flammenlicht im Gesicht. Sie gähnte.
    »Ich glaube, ich lege mich nun wohl hin«, sagte sie. »Und du?«
    »Ja, ich auch. Nur ein Weilchen noch.«
    »Kann ich noch etwas für dich tun?« fragte sie.
    Arevin blickte auf. »Ihr habt schon genug für mich getan«, sagte

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