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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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aufgetreten?«
    Für einen Moment blickte Gabriel ratlos drein. Dann lachte er plötzlich verbittert auf.
    »Geistig, meinst du? Nein, er ist geistig völlig gesund. Es ist eine persönliche Sache zwischen uns beiden. Ich vermute...« Gabriel zögerte. »Manchmal muß er sich wohl gewünscht haben, ich würde sterben, damit er einen geeigneteren ältesten Sohn adoptieren oder selber einen zeugen könne. Aber er will sich nicht einmal eine neue Partnerin suchen. Vielleicht hat er recht. Vielleicht wünsche manchmal auch ich, er wäre tot.«
    »Glaubst du das ernsthaft?«
    »Ich will‘s nicht glauben.«
    »Ich glaube es ganz und gar nicht.«
    Er sah sie an, in seiner Miene sehr schwache, zaghafte Ansätze von etwas, das nach Schlanges Erwartung nur ein unerhört zauberhaftes Lächeln werden konnte, doch dann verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck wieder.
    »Was wird geschehen, wenn er keine Behandlung zuläßt?«
    »Noch ein Tag, und er wird das Bewußtsein verlieren. Dann... dürften wir vor der Wahl stehen, ihm das Bein gegen seinen Willen abzunehmen oder ihn sterben zu lassen.«
    »Kannst du ihn nicht jetzt sofort behandeln? Ohne seine Einwilligung?«
    Sie wünschte sich, sie könnte ihm eine erfreulichere Auskunft erteilen.
    »Gabriel, es fällt mir nicht leicht, dir das zu sagen, aber wenn er die Besinnung verliert, ohne mir seine Zustimmung gegeben zu haben, so müßte ich ihn sterben lassen. Du selbst sagst, daß er bei Verstand ist. Ich habe kein Recht, gegen seine Wünsche zu handeln, ganz gleichgültig, wie dumm und unsinnig sie sind.«
    »Aber du kannst ihm das Leben retten.«
    »Ja. Aber es ist sein Leben.«
    Gabriel rieb sich mit den Handballen die Augen; seine Gebärden verrieten Ausgelaugtheit.
    »Ich werde noch einmal mit ihm reden.«
    Schlange folgte ihm bis vor die Schlafzimmertür seines Vaters, erklärte sich jedoch dazu bereit, draußen zu warten, wenn er hineinging. Der junge Mann hatte Mut. Was auch in den Augen seines Vaters seine Mängel sein mochten – und anscheinend auch in seinen eigenen Augen –‚ er hatte Mut. Doch womöglich fehlte es ihm auf einer anderen Ebene auch nicht an Feigheit – aus welchem anderen Grund konnte er denn bleiben und sich so behandeln lassen? Schlange vermochte sich nicht vorzustellen, daß sie eine derartige Behandlung lange erduldete. Sie hatte stets geglaubt, ihre Bindungen zu anderen Heilern, zu ihrer Familie, seien nicht minder stark als andere Beziehungen, aber möglicherweise waren Blutsbande doch stärker. Schlange litt nicht unter dem mindesten Schuldgefühl, während sie lauschte.
    »Ich möchte, daß du dir von ihr helfen läßt, Vater.«
    »Mir kann niemand helfen. Es ist zu spät.«
    »Du bist erst neunundvierzig. Es könnte eine deinen Weg kreuzen, für die du ebenso empfindest wie für Mutter.«
    »Halt den Mund über deine Mutter.«
    »Nein, ich denke nicht länger daran. Ich habe sie nie gekannt, aber eine meiner Hälften stammt von ihr. Ich bedaure es, dich enttäuscht zu haben. Ich bin nun entschlossen, von hier fortzugehen. Nach einigen Monaten kannst du... nein.., in ein paar Wochen wird ein Bote eintreffen und dir meinen Tod melden, und du wirst niemals festzustellen brauchen, ob es wahr ist oder nicht.«
    Der Bürgermeister gab keine Antwort.
    »Was erwartest du von mir zu hören? Daß ich es bedaure, nicht eher weggegangen zu sein? Na schön, es tut mir leid.«
    »Eines hast du mir jedenfalls nie angetan«, sagte Gabriels Vater. »Du bist trotzig und widerspenstig, aber du hast mich nie angelogen.«
    Ein Schweigen dehnte sich aus; Schlange wollte schon das Schlafzimmer betreten, da ertönte erneut Gabriels Stimme.
    »Ich hatte gehofft, ich könnte mich bewähren. Ich dachte, ich könnte mich so nützlich machen, daß...«
    »Ich muß an die Familie denken«, unterbrach ihn der Bürgermeister. »Und an unseren Heimatort. Was auch geschehen sein mag, du wärst immer mein Erstgeborener, selbst wenn ich noch mehr Kinder hätte. Ohne öffentliche Schande könnte ich dich nicht enterben.«
    Es überraschte Schlange, in der rauhen Stimme Mitgefühl zu hören.
    »Ich weiß. Ich kann das inzwischen verstehen. Aber auf jeden Fall wird es niemandem von Nutzen sein, wenn du stirbst.«
    »Wirst du dich an deine Absicht halten?«
    »Ich schwöre es«, sagte Gabriel.
    »Also gut. Schick die Heilerin herein.«
    Hätte Schlange nicht einen Eid abgelegt, den Verwundeten und Kranken Beistand zu leisten, würde sie wahrscheinlich im selben Moment das Haus

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