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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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verschwinde.«
    »Weil du nicht seine Erwartungen erfüllt hast?« Schlange schüttelte den Kopf.
    »Bestrafung ist keine Hilfe. Sie zeugt von Dummheit und Selbstgerechtigkeit. Komm zu mir ins Bett, Gabriel. Ich stelle keine Anforderungen an dich.« »Du verstehst mich nicht«, sagte Gabriel kummervoll.
    Er nahm ihre Hand und hob sie an sein Gesicht, rieb ihre Fingerkuppen über seine hellen, weichen Stoppeln. »Ich kann meinen Teil der Übereinkunft, die Liebende untereinander treffen, nicht einhalten. Ich weiß nicht, warum. Ich hatte einen guten Lehrer. Aber für mich ist die Biokontrolle unmachbar. Ich habe es versucht, ihr Götter, ich habe es versucht.«
    Seine blauen Augen schimmerten. Er ließ seine Hand von ihrer Hand an seine Seite fallen. Schlange streichelte erneut seine Wange und legte einen Arm um seineSchultern, während sie ihre Überraschung verbarg. Impotenz war ihr begreiflich, aber Unfähigkeit zur Biokontrolle...! Sie wußte nicht, was sie dazu sagen sollte, aber er hatte ohnehin noch mehr zu erzählen, irgend etwas, worüber er verzweifelt mit jemandem sprechen zu können wünschte; sie spürte es an der starken Anspannung seines ganzen Körpers. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Sie wollte ihn nicht drängen; er war bereits gedemütigt genug. Sie suchte nach sanften, nachsichtigen Worten, um Dinge mit Umschreibungen zum Ausdruck zu bringen, die sie gewöhnlich rundheraus abgehandelt hätte.
    »Schon gut«, sagte Schlange. »Ich verstehe, was du da erzählst. Nimm‘s nicht so schwer – mir das zu sagen, ist nicht schlimm.«
    Er schaute zu ihr auf, so überrascht und weitäugig wie das kleine Mädchen im Stall, als Schlange statt der alten, häßlichen Narbe den frischen Bluterguß begutachtete.
    »Das ist doch nicht dein Ernst. Ich kann darüber mit niemandem reden. Jeder wäre angewidert – so wie mein Vater. Ich kann es niemandem verdenken.«
    »Mit mir kannst du sprechen. Ich mache dir keine Vorwürfe.«
    Einen Moment lang zögerte er noch, dann brach der seit Jahren angestaute Wortschwall heraus.
    »Ich hatte eine Freundin namens Leah«, sagte Gabriel. »Das war vor drei Jahren, als ich fünfzehn war, und sie war zwölf. Als sie sich entschloß, zum ersten Mal richtig zu lieben, nicht bloß im Spiel, weißt du, da wählte sie mich. Sie hatte natürlich ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen, aber das hätte keine Rolle spielen dürfen, weil ja meine beendet war. Glaubte ich wenigstens.«
    Er lehnte nun an Schlange, den Kopf an ihre Schulter gelegt, und starrte blicklos hinüber zu den schwarzen Fenstern.
    »Vielleicht hätte ich andere Vorsichtsmaßnahmen treffen sollen«, sagte er. »Aber ich hatte nie damit gerechnet, daß eine Zeugung eintritt. Ich hatte noch nie von jemandem gehört, der nicht fähig war zur Biokontrolle. Vielleicht von Leuten, die keine Tiefen-Trance hinkriegen, aber Biokontrolle...« Bitter lachte er auf. »Und Backenbärte, aber damals hatte bei mir noch nichts zu wachsen begonnen.«
    Schlange spürte sein Schulterzucken, als der glatte Stoff seines Hemds über das neue, rauhe Gewebe ihres Kleids glitt.
    »Ein paar Monate später veranstalteten wir für sie eine Feier, weil wir annahmen, sie hätte die Biokontrolle schneller gelernt als üblich. Niemand war überrascht. Leah fliegt alles nur so zu. Sie ist ein hervorragender Kopf.«
    Für einen Moment schwieg er und lehnte nur an Schlange, atmete langsam und tief. Er sah zu ihr hoch.
    »Aber es war nicht ihre Biokontrolle, die ihre Menstruation beendet hatte, sondern es kam daher, daß ich sie geschwängert hatte. Sie war zwölf und meine Freundin, sie hatte mich ausgewählt, und ich habe fast ihr Leben verdorben.«
    Nun begriff Schlange alles. Gabriels Schüchternheit, seine Unsicherheit, seine Scheu, auch warum er seine Schönheit verhüllte, wenn er ausging: er wollte nicht erkannt werden; mehr noch, er wollte nicht, daß jemand ihn ins Bett einlud.
    »Ihr armen Kinder«, sagte Schlange.
    »Ich glaube, wir hatten immer angenommen, wir würden später Partner, sobald wir beide wußten, was wir tun wollten. Sobald wir beide etwas gesetzter waren. Aber wer möchte schon einen Partner ohne Biokontrolle? Ein solches Paar lebte ständig im Bewußtsein, daß der eine Partner, falls der andere in seiner Biokontrolle nur ein wenig nachließe, gar keine Kontrolle hätte. Eine derartige Partnerschaft könnte nicht von Dauer sein.« Er verlagerte sein Gewicht. »Aber trotz allem wollte sie mich nicht erniedrigen.

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