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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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neuen Verordnungen erließ.« Die Zittrigkeit ihrer Stimme widersprach ihren sachlichen Worten. »Lange Zeit verging, ehe ich hörte, daß hier die Leibeigenschaft verboten worden war, aber als es mir dann zu Ohren kam, floh ich und kehrte nach Berghausen heim.« Sie schaute auf, den Tränen nahe. »Ich habe keine Untreue begangen...«
    Sie straffte sich und sprach selbstbewußter weiter. »Ich war ein Kind, ich hatte keine Wahl, ich mußte mich in die Leibeigenschaft fügen. Ich war keinem Leuteschinder Treue schuldig. Aber die Stadt hat meine Papiere gekauft. Dem Bürgermeister bin ich zur Treue verpflichtet.«
    Schlange begriff, wieviel Mut es Larril gekostet hatte, so offen zu ihr zu sprechen.
    »Ich danke dir dafür«, sagte Schlange, »daß du über Gabriel ehrlich gesprochen hast. Niemand wird davon erfahren. Ich stehe in deiner Schuld.«
    »O nein, Heilerin. Ich hatte nicht die Absicht...«
    Irgend etwas in Larrils Stimme beunruhigte Schlange, etwas ähnliches wie eine unvermittelte Scheu. Sie fragte sich, ob Larril glaubte, ihre Beweggründe, warum sie sich an Schlange gewandt hatte, seien verdächtig.
    »Aber es ist mein Ernst«, betonte Schlange. »Kann ich dir meinerseits irgendwie behilflich sein?«
    Larril schüttelte ihren Kopf in einer raschen Geste, die mehr für sie selbst verneinte als für Schlange.
    »Ich glaube, mir kann niemand helfen.«
    »Nur heraus mit der Sprache.«
    Larril zögerte, dann setzte sie sich auf den Fußboden und riß heftig die Ränder ihrer Hosenbeine aufwärts. Schlange kauerte sich neben ihr auf die Fersen.
    »O ihr Götter«, sagte sie.
    Larrils Ferse war zwischen dem Knochen und der Achillessehne verwundet worden. Es sah aus, als habe jemand dazu ein glutheißes Eisen verwendet. Die Narbe umfaßte einen kleinen Ring aus grauem kristallischen Material. Schlange nahm Larrils Fuß in die Hand und berührte den Ring. Er wies keine sichtbare Befesti
    gung auf. Schlange zog ein düsteres Gesicht.
    »Das war nichts als Grausamkeit.«
    »Wenn man nicht gehorchte, hatten sie das Recht, einen zu zeichnen«, sagte Larril. »Vor meiner endgültigen Flucht hatte ich schon einmal versucht, mich abzusetzen, und da sagten sie zu mir, sie müßten dafür sorgen, daß ich mich immer erinnere, wohin ich gehöre.« Zorn verdrängte die Gelassenheit ihrer Stimme.
    Schlange erschauderte. »Diese Ringe werden mich immer zur Unfreien machen«, sagte. Larril. »Narben allein störten mich weniger.« Sie entzog ihren Fuß Schlanges Hand. »Du kennst doch sicher die Kuppeln in den Bergen? Aus deren Material sind auch diese Ringe hergestellt.«
    Schlange untersuchte ihren anderen Fuß, ebenso vernarbt, ebenfalls versehen mit einem Ring. Nun erkannte sie die graue, durchscheinende Substanz. Aber nie zuvor hatte sie etwas anderes daraus gefertigt gesehen als jene Kuppeln, die sich rätselhaft und unzugänglich an den unerwartetsten Stellen erhoben.
    »Diesen Ring hat der Schmied abzutrennen versucht«, berichtete Larril. »Als es ihm nicht gelang, als er ihn nicht einmal anzukratzen vermochte, war es ihm so peinlich, daß er eine Eisenstange mit einem Hieb brach, bloß um zu beweisen, daß er genug Kraft hatte.« Sie berührte den dünnen, straffen Strang ihrer in dem zierlichen Ring gefangenen Sehne. »Sobald der Kristall erhärtet, hält der Ring für alle Zeiten. Unanfechtbar wie die Kuppeln. Außer man durchschneidet die Sehne, und dann wäre man lahm. Manchmal glaube ich, selbst das könnte ich auf mich nehmen.« Sie ließ die Hosenbeine hinabsacken. »Du siehst es selber, niemand kann mir helfen. Alles ist vergeblich, ich weiß es. Bald werde ich frei sein, ganz gleich, was diese Ringe bedeuten sollen.«
    »Zumindest kann ich dir hier an Ort und Stelle nicht helfen«, sagte Schlange. »Und es wäre auf jeden Fall riskant.«
    »Du meinst, grundsätzlich ist es möglich?«
    »Man könnte etwas tun, es wenigstens versuchen. In der Niederlassung der Heiler.«
    »Oh, Heilerin...«
    »Larril, es wäre ein Risiko dabei.« An ihrem eigenen Knöchel zeigte Schlange, was getan werden müßte. »Wir würden die Sehne nicht durchtrennen, sondern ablösen. Dann ließe sich der Ring entfernen. Aber du wärest für eine beträchtliche Weile bettlägerig. Und es gibt keine Gewißheit, daß die Sehnen wieder ausreichend verheilen, vielleicht wären deine Beine nie wieder so kräftig wie heute. Womöglich verheilten die Sehnen überhaupt nicht.«
    »Ich verstehe...«‚ sagte Larril, in deren Stimme Hoffnung und

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