Traumschlange
Freude mitschwang; vielleicht hörte sie Schlange überhaupt nicht richtig zu.
»Willst du mir eines versprechen?«
»Ja, Heilerin, natürlich.«
»Entscheide dich noch nicht jetzt, was du zu unternehmen gedenkst. Entscheide dich nicht sofort, nachdem deine Dienstzeit in Berghausen vorüber ist. Warte ein paar Monate. Werde dir erst völlig darüber klar, was du willst. Möglicherweise gelangst du, sobald du erst einmal wirklich frei bist, zu der Auffassung, daß die Ringe nicht so wichtig sind.«
Larril schaute vorwurfsvoll auf, und Schlange ahnte, daß sie am liebsten gefragt hätte, wie sich wohl Schlange in ihrer Lage fühlen würde, aber davon absah, weil sie die Frage für unverschämt hielt.
»Versprichst du‘s mir?«
»Ja, Heilerin. Ich verspreche es.«
Sie standen auf.
»Nun, dann noch eine gute Nacht«, sagte Schlange.
»Dir auch, Heilerin.« Schlange wollte den Korridor hinabstreben.
»Heilerin?«
»Ja?«
Larril warf ihre Arme um Schlange und drückte sie an sich.
»Ich danke dir.«
Verlegen wich sie zurück. Beide wandten sie sich um und gingen in ihre verschiedenen Richtungen, aber Schlange machte noch einmal kehrt.
»Larril, woher bekommen die Menschenschinder die Ringe? Ich habe nie vorher vernommen, daß jemand das Kristallmaterial der Kuppeln bearbeiten kann.«
»Die Leute in der Stadt geben es ihnen«,, sagte Larril. »Nicht genug für irgend etwas Vernünftiges. Nur für die Ringe.«
»Danke.«
Schlange kehrte zurück ins Bett, während sie über das Zentrum nachdachte, das Sklaventreibern Ketten gab, aber sich weigerte, mit Heilern auch nur zu reden.
7
In jenem Moment, da die Nacht endgültig vorüber war, erwachte Schlange erneut, früher als Gabriel. Die Morgendämmerung erhellte das Zimmer mit schwachem gräulichem Licht. Schlange bettete sich auf die Seite, auf den Ellbogen gestützt, und betrachtete Gabriel, der unverdrossen weiterschlief. Er war – falls man sich das überhaupt vorstellen konnte – im Schlaf noch schöner als im Wachen. Schlange streckte eine Hand aus, hielt sie jedoch still, ehe sie ihn berührte. Normalerweise hatte sie gegen Liebe am Morgen nichts einzuwenden. Aber sie mochte Gabriel nicht wecken.
Mit gerunzelter Stirn legte sie sich auf den Rücken und versuchte diese Anwandlung zu ergründen. Gestern abend hatte nicht eben der bemerkenswerteste sexuelle Kontakt ihres Lebens stattgefunden, denn Gabriel war, wenngleich keineswegs unbeholfen, doch aus Unerfahrenheit ein wenig linkisch. Zwar war sie nicht vollständig zufrieden, aber es war ihr auch alles andere als unangenehm gewesen, mit Gabriel zu schlafen. Schlange vertiefte ihre Überlegungen und fand ihre innersten Gefühle beunruhigend; sie waren der Furcht zu nahe. Zweifellos fürchtete sie nicht Gabriel; der bloße Gedanke war lächerlich. Aber sie war noch nie mit einem Mann zusammen gewesen, der seine Zeugungskraft nicht unter Kontrolle hatte. Dieser neue Umstand bereitete ihr Unbehagen, sie vermochte es nicht zu leugnen. Ihre eigene Kontrolle war hundertprozentig; in dieser Hinsicht durfte sie vollkommen auf sich selbst vertrauen. Und würde sie durch irgendeine abwegige Unvorhersehbarkeit trotzdem schwanger, konnte sie eine Abtreibung vornehmen, ohne solche Schwierigkeiten befürchten zu müssen, die Gabriels Freundin Leah fast das Leben gekostet hatten. Nein, ihr Unbehagen wurzelte kaum in der Frage, was vielleicht geschehen könnte. Es war eher das reine Wissen um Gabriels Unvermögen, das sie von ihm zurückhielt, denn sie war im Bewußtsein dessen aufgewachsen, daß ihre Liebhaber zur Biokontrolle fähig waren und daß sie ihr das gleiche Vertrauen entgegenbrachten. Dieses Vertrauen konnte sie Gabriel nicht schenken, obwohl seine Probleme nicht auf seinen eigenen Fehlern beruhten.
Zum erstenmal begriff sie tatsächlich, wie einsam er in den letzten drei Jahren gewesen sein mußte, wie jeder auf ihn reagierte, wie er für sich selbst empfunden haben mußte. Sie seufzte, traurig um ihn, und streckte den Arm aus, streichelte ihn mit den Fingerspitzen, weckte ihn ganz allmählich, vergaß ihr Zögern und ihr Mißbehagen.
Mit ihrer Schlangenschachtel stieg Schlange die Klippe hinunter, um Wind zu holen. Einige ihrer Patienten im Ort mußte sie sich noch einmal ansehen, und am Nachmittag beabsichtigte sie Impfungen durchzuführen. Gabriel war im Haus seines Vaters geblieben und packte seine Sachen, bereitete seine Abreise vor.
Eichhörnchen und Wind glänzten regelrecht, so
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