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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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versuchte sie vom Pferd zu reißen. Sie schlug mit einer Hand nach dem Angreifer. Ihre Faust rutschte über groben Stoff. Sie schlug noch einmal zu und traf. Der Mann knurrte und ließ los. Sie schwang sich wieder aufrecht in Winds Sattel und trat der Stute in die Flanken. Wind sprang vorwärts. Der Angreifer hielt sich nichtsdestotrotz am Sattel fest. Schlange hörte das Scharren seiner Stiefel, als er zu Fuß mitzuhalten versuchte. Er zerrte den Sattel zu sich heran.
    Plötzlich rutschte der Sattel, als der Griff des Mannes sich löste, ruckartig zurück in seinen gewohnten, richtigen Sitz. Doch schon einen Sekundenbruchteil später zügelte Schlange die Stute. Die Schlangenschachtel war fort. Schlange riß Wind herum und galoppierte dem Mann hinterdrein, der nun flüchtete.
    »Halt«, rief Schlange.
    Sie wollte ihn nicht mit der Stute niederreiten, aber er zeigte keinerlei Bereitschaft, ihr zu gehorchen. Und er mochte leicht in eine Gasse entweichen, die zu schmal war für Pferd und Reiter, und verschwinden, bevor sie abzusteigen und ihm zu folgen vermochte. Schlange beugte sich hinab, packte ihn an der Robe und warf sich auf ihn. Beide stürzten sie in wirrem Ringen zu Boden. Er drehte sich im Fallen, und Schlange prallte auf die gepflasterte Straße, hingeschmettert durch sein Gewicht. Irgendwie gelang es ihr, ihn in ihrem Zugriff zu behalten, während er sich loszureißen versuchte und sie um Atem rang. Sie wollte ihn anfahren, er solle die Schachtel loslassen, aber sie brachte noch kein Wort heraus. Er schlug zu, und sie spürte auf ihrer Stirn, am Haaransatz, einen heißen Schmerz. Schlange schlug zurück, und sie wälzten sich auf der Straße, hieben aufeinander ein. Schlange hörte die Schachtel über die Pflastersteine kratzen; sie warf sich zur Seite und packte sie, und der Mann, dessen Gesicht eine Kapuze verbarg, tat das gleiche. Während Sand im Innern der Schachtel wütend klapperte, zerrten sie das Behältnis wie zerstritte-ne Kinder hin und her.
    »Laß los!« schrie Schlange.
    Ringsum schien es noch dunkler zu werden, und sie konnte kaum sehen. Sie wußte, daß sie sich nicht den Kopf angeschlagen hatte, sie verspürte keine Benommenheit. Sie blinzelte und sah rundherum die Welt in ruhelosem Gaukeln.
    »Darin ist nichts, was du gebrauchen kannst!«
    Mit einem Stöhnen der Verzweiflung riß ihr Gegner die Schachtel zu sich herüber. Im ersten Moment gab Schlange nach, doch dann packte sie mit aller Kraft erneut zu und entriß ihm das Behältnis. Sie war so erstaunt, als sich dieser leicht durchschaubare Trick bewährte, daß sie rückwärts auf Hüfte und Ellbogen prallte und vor Schmerz aufschrie. Ehe sie sich wieder aufraffen konnte, floh der Angreifer die Straße hinab.
    Schlange rappelte sich auf, preßte den Ellbogen in ihre Seite und hielt mit der anderen Hand den Griff der Schachtel fest umklammert. Wie bei den meisten gewalttätigen Auseinandersetzungen war auch bei diesem Kampf nicht viel herausgekommen.
    Sie wischte sich übers Gesicht und blinzelte, und ihr Blickfeld klärte sich. Aus einem Kratzer an ihrem Haaransatz war ihr Blut in die Augen gesickert. Sie tat einen Schritt und zuckte zusammen; ihr rechtes Knie war geprellt..
    Sie hinkte hinüber zur Stute, die ängstlich schnob, aber nicht scheute. Schlange tätschelte sie. Ihr war nicht danach zumute, heute noch viel zu unternehmen, gar nicht zu reden vom Pferdefangen, und da sie einsah, daß es für die Stute die Grenze des Erträglichen überschritte, würde sie nun die Schachtel öffnen, um nachzuschauen, ob Sand und Dunst unversehrt waren, verzichtete sie darauf; sie befestigte das Behältnis wieder am Sattel und schwang sich empor.
     
    Urplötzlich ragte voraus in der Dunkelheit das Stallgebäude auf, und Schlange brachte die Stute zum Stehen. Ihr schwindelte, sie war vor Aufregung noch ganz wirr. Obwohl sie nur wenig Blut verloren und der Angreifer sie nie kräftig genug getroffen hatte, um ihr eine Gehirnerschütterung zuzufügen, war das während des Ringens ihrem Blut zugeströmte Adrenalin verflossen, und nun fühlte sie sich völlig entkräftet. Sie atmete tief ein.
    »Stallmeister!«
    Für eine Weile antwortete niemand und regte sich nichts, dann knirschte fünf Meter über ihr die Schiebetür des Dachbodens in ihren Schienen beiseite.
    »Er ist nicht hier, Herrin«, sagte Melissa. »Er schläft oben im Herrenhaus. Kann ich dir behilflich sein?«
    Schlange blickte hinauf. Melissa blieb im Schatten, außerhalb des

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