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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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reiten.
    »Und warum...«
    Schlange unterbrach sich, als sie begriff, warum Melissa in Berghausen kein Jokkei sein konnte.
    »Der Bürgermeister«, sagte endlich Melissa, »möchte die Jockeis so schön haben wie die Pferde.«
    Schlange nahm Melissas Hände und drückte sie sanft. »Es tut mir leid.«
    »Hier hat das seine Richtigkeit, Herrin.«
    Die Lichter des Hofes leuchteten ihnen entgegen. Winds Hufe klapperten auf Pflastersteinen. Melissa glitt vom Rücken der Stute.
    »Melissa ?«
    »Keine Sorge, Herrin, ich bringe dein Pferd weg.« Sie begann zu rufen. »Heda! Aufmachen!«
    Bedächtig stieg Schlange ab und löste die Schachtel vom Sattel. Ihre Gliedmaßen waren steif, und ihr angeschlagenes Knie schmerzte heftig. Die Tür wurde geöffnet, und ein Diener im Nachthemd blinzelte heraus.
    »Wer ist da?«
    »Hier ist die Herrin«, sagte aus dem Dunkeln Melissa, »die Heilerin Schlange. Sie ist verletzt.«
    »Ich bin wohlauf«, sagte Schlange, aber der Diener drehte sich mit einem Aufschrei des Schreckens um, rief Hilfe und kam dann in den Hof gelaufen.
    »Warum hast du sie nicht hereingebracht?«
    Er hob die Arme, um Schlange zu stützen. Nachsichtig hielt sie ihn auf Abstand. Weitere Leute liefen herbei und wimmelten zwecklos umher.
    »Kümmere dich um das Pferd, dummes Kind!«
    »Laßt sie in Ruhe«, sagte Schlange in scharfem Tonfall. »Danke, Melissa.«
    »Stets zu Diensten, Herrin.«
    Als Schlange die gewölbte Eingangshalle betrat, kam Gabriel durch das gewundene Treppenhaus herabgepoltert.
    »Schlange, was ist los? Gute Götter, was ist geschehen?«
    »Ich bin unversehrt«, versicherte Schlange erneut. »Ich hatte bloß eine kleine Auseinandersetzung mit einem ungeschickten Dieb.«
    Aber es handelte sich um mehr. Das war ihr nun endgültig klar. Sie dankte den Bediensteten und erstieg in Gabriels Begleitung den Südturm. Mißbehaglich und unruhig sah er zu, wie sie nach Dunst und Sand schaute, denn er hatte sie bedrängt, sich zunächst einmal um sich selbst zu kümmern. Die beiden Schlangen waren unverletzt, daher ließ Schlange sie in ihren Fächern; dann erst suchte sie das Bad auf. Sie sah sich flüchtig im Spiegel: ihr Gesicht war mit Blut verschmiert, das Haar klebte ihr am Kopf. Ihre blauen Augen starrten ihr stumpf entgegen.
    »Du siehst aus, als hätte man dich fast umgebracht.« Er drehte das Wasser auf, brachte Waschzeug und Badetücher.
    »So, wirklich?«
    Gabriel betupfte die Wunde an ihrer Stirn; sie reichte bis in die Kopfhaut hinauf. Schlange konnte im Spiegel die Wundränder sehen: es war ein dünner Riß, nicht durch einen Knöchel aufgeschlagen, sondern mit einem Ring eingeritzt.
    »Vielleicht solltest du dich lieber hinlegen.«
    »Kopfhautverletzungen bluten immer so stark«, sagte Schlange. »Es sieht meistens schlimmer aus als es ist.« Sie blickte an sich hinab und lachte traurig auf. »Neue Kleider sind nie besonders behaglich, aber dies ist ein zu schneller Verschleiß.«
    Schulter und Ellbogen waren zerfetzt, und am rechten Knie ihrer Hose befand sich – vom Sturz auf das Pflaster – ebenfalls ein Loch; der Stoff war durch und durch verschmutzt. Sie konnte unter den Fetzen Blutergüsse entstehen sehen.
    »Ich besorge dir ein anderes«, versprach Gabriel. »Ich kann‘s kaum glauben. Es gibt selten Räubereien in Berghausen. Und jeder weiß, daß du eine Heilerin bist. Wer würde denn eine Heilerin überfallen?«
    Schlange nahm ihm das Tuch aus der Hand, setzte die Säuberung der Verletzung selbst fort. Gabriel war dabei zu vorsichtig gewesen; Schlange legte jedoch keinen Wert darauf, daß die Haut über Schmutz und Gries verheilte.
    »Es war niemand aus Berghausen«, sagte sie, »der mich überfallen hat.«
    Gabriel tränkte das Knie ihrer Hose mit Wasser, um den Stoff abzulösen, wo geronnenes Blut ihn an die Haut klebte. Schlange erzählte ihm von dem Verrückten.
    »Dann war es wenigstens niemand von unserer Einwohnerschaft«, sagte Gabriel. »Und einen Fremden kann man leichter finden.«
    »Kann sein.«
    Aber der Verrückte war schon der Verfolgung durch die Wüstenbewohner entgangen; und ein Ort bot viel mehr Möglichkeiten zum Verstecken. Sie stand auf. Ihr Knie schmerzte immer ärger. Sie humpelte zur großen Wanne und ließ brühheißes Wasser einfließen. Gabriel half ihr beim Auskleiden. Er saß in der Nähe, während sie die Schmerzen und die Zerschlagenheit durch das heiße Wasser aus ihren Gliedern vertreiben ließ. Er blieb aus Zorn über den Zwischenfall rast- und

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