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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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ausgewachsener Mann, klotzig und roh, nicht jedoch, weil das Feuer alle ihre Empfindungen bis auf den Schmerz abgetötet hatte.
    »Menschen können gewisse Dinge füreinander tun, die beiden Freude machen«, sagte Schlange. »Deshalb waren Gabriel und ich zusammen. Ich wollte, daß er mich berührte, und er wollte, daß ich ihn berührte. Aber wenn jemand eine andere Person berührt, ohne sich darum zu scheren, was sie empfindet..., gegen ihren Willen!«
    Sie verstummte, denn sie vermochte eine Persönlichkeit nicht zu begreifen, die mißraten genug war, um Sexualität in einen Gewaltakt zu verwandeln.
    »Ras ist ein schlechter Mensch«, bekräftigte sie.
    »Der andere Mann hat dir nicht weh getan?«
    »Nein. Es hat uns Spaß gemacht.«
    »Na schön«, sagte Melissa ein wenig ungläubig.
    »Ich kann es dir erklären.«
    »Nein! Bitte nicht!«
    »Sorge dich nicht«, sagte Schlange. »Keine Sorge. Von nun an wird niemand noch etwas mit dir tun, das du nicht möchtest.«
    »Herrin, du kannst ihn nicht hindern. Ich kann ihn auch nicht hindern. Du mußt fort, und ich muß bleiben.«
    Überall erginge es ihr besser als hier, hatte Schlange erkannt. Überall. Selbst in der Fremde. Wie im Traum, an den sie gedacht hatte, trat die Lösung nun urplötzlich in Schlanges Bewußtsein, und sie lachte und weinte innerlich über, sich, weil sie ihr nicht eher eingefallen war.
    »Würdest du mit mir fortgehen, wenn du könntest?«
    »Mit dir ?«
    »Ja.«
    »Herrin, Heilerin...«
    »Heiler adoptieren Kinder, wußtest du das? Ich war mir bisher nicht darüber im klaren, aber eigentlich möchte ich schon seit langem eines.«
    »Du könntest irgendein anderes haben.«
    »Ich möchte dich, wenn du einverstanden bist.«
    Melissa drängte sich an sie. »Man wird mich niemals fortlassen«, flüsterte sie. »Ich fürchte mich.«
    Schlange streichelte Melissas Schopf und starrte durch das Fenster hinaus in die Dunkelheit, die durchsetzt war mit den Lichtern des reichen, schönen Berghausen.
    »Ich fürchte mich«, wisperte Melissa etwas später erneut, dicht am Rande des Schlafs.
     

8
    Schlange erwachte mit den ersten Strahlen der scharlachroten Morgensonne. Melissa war nicht im Zimmer. Sie mußte sich hinausgeschlichen haben und in den Stall zurückgekehrt sein; Schlange machte sich Sorgen um sie. Sie raffte sich von ihrem Platz am Fenster auf und begab sich wie der in ihre Unterkunft, die Decke um ihre Schultern geschlungen. Im Turm war es still und kühl. Ihr Gästezimmer war leer. Es war ihr durchaus recht, Gabriel nicht anzutreffen, denn obwohl sie sich auch über ihn geärgert hatte, lag ihr doch nicht daran, in die Versuchung zu geraten, ihren Zorn an ihm auszulassen. Nicht er war derjenige, der es verdiente, ihn zu spüren, und sie wußte, daß sie ihn in bessere Bahnen leiten konnte. Nach dem Waschen kleidete sie sich an und blickte dabei übers Tal aus. Die östlichen Gipfel überschatteten noch einen weiten Bereich der Talsohle.
    Während sie hinunterschaute, kroch der Schatten weg vom Stallgebäude und den regelmäßig angelegten, weiß gestrichenen Zäunen rings um die dazugehörigen Weiden. Alles war ruhig.
    Plötzlich trat ein Pferd aus dem Schatten in den Sonnenschein. Sein Schatten entsprang in ungeheuerlicher Verlängerung seinen Hufen und marschierte wie ein Riese durch das vom Tau glitzrige Gras. Es war der große scheckige Hengst, und auf seinem Rücken hockte Melissa. Der Hengst verfiel in einen leichten Galopp und überquerte geschwind die Weide. Schlange wünschte, auch sie ritte mit dem Wind im Gesicht durch den Morgen; sie konnte beinahe das dumpfe Trommeln der Hufe auf dem Erdreich hören, den Duft vom frischem Gras riechen, im Dahinsprengen schimmernde Tautropfen aufspritzen sehen. Der Hengst galoppierte durchs Gelände, seine Mähne und sein Schweif wehten. Melissa beugte sich weit nach vorn. Sie jagten auf einen der hohen steinernen Hinderniswälle zu. Schlange hielt den Atem an, davon überzeugt, daß sich der Hengst nicht in Melissas Gewalt befand. Das Tier verlangsamte nicht im geringsten. Schlange lehnte sich vor, als könne sie zugreifen und die beiden aufhalten, bevor das Pferd das Kind gegen die Mauer warf. Sie konnte die Anspannung des Pferdes wahrnehmen; aber Melissa war ruhig und gleichmütig. Das Pferd faßte sich und überwand das Hindernis in tadellosem Sprung. Einige Schritte weiter bewegte es sich gemächlicher; es trottete noch ein Stückchen dahin und machte sich dann gelassen und würdevoll auf

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