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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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unten gezogen und wirbelte in einem Strudel aus Luftblasen um die eigene Achse. Es war kalt, eiskalt. Ich versuchte nach oben zu kommen, aber es gab keine Richtungen mehr, alles war dunkel, nur die Luftblasen in meiner Näher und der Druck in meinen Ohren, das Brennen in meinen Lungen. Gleich würde ich den Mund öffnen müssen, um zu atmen, gleich … jetzt …
    Luft strömte über meine Lippen. Schlagartig kehrten Geräusche zurück in meine Welt, Wärme und Licht. Ich blinzelte verwirrt. Vor mir war niemand. Jonah war verschwunden. Spurlos, als wäre er nie dagewesen. Nur sein Geruch hing noch einen Augenblick in der Luft, bevor er sich verflüchtigte. Verschwand, wie das Traumgespinst zuvor.

    Der Streit war schon im vollen Gange, als ich an der Hintertür ankam. Ungewöhnlich früh, dafür umso lauter. Den Stimmen nach zu urteilen standen Meg und Klaus im Flur oder im Wohnzimmer. Ich hatte keine Chance, ungesehen an ihnen vorbeizukommen.
    Warum lernte man in der Schule eigentlich nicht, wie man mit solchen Situationen umging? Ich konnte ja schlecht in den Streit hineinplatzen. Genauso wenig wollte ich allerdings wieder zurückgehen. Nach dem kurzen Flashback kam mir der Garten viel dunkler und bedrohlicher vor. Weniger ein Zufluchtsort als ein Tummelplatz für Schatten und finstere Geheimnisse. Gefangen zwischen Skylla und Charybdis.
    Seufzend setze ich mich auf die kleine Bank, die im letzten Streifen Abendsonne stand und versuchte nicht zu offensichtlich zu lauschen. Der Lautstärke nach zu urteilen, hatte ich Glück und einen Großteil der Auseinandersetzung bereits verpasst.
    »Fang nicht wieder damit an!« Klaus brüllte so laut, dass ich unwillkürlich Megs Mut bewunderte. »Jeden Abend dieselbe verdammte Leier. Ich bin es so leid.«
    »Sonst bist du ja nie da!«
    »Mit einem guten Grund!«
    Das Schweigen war beinahe so schlimm, wie das Brüllen zuvor. Ich konnte nur raten, dass sich die beiden ein Blickduell lieferten. Klaus gewann, denn Megs Stimme wurde flehend. »Wir müssen darüber reden.«
    »Nein, müssen wir nicht!« Klaus` Stimme kam näher. Ich sprang auf, aber noch während ich überlegte, ob ich mich verstecken oder so tun sollte, als käme ich gerade erst, hatte er die Tür aufgerissen. »Warte nicht auf mich!« Mit einem Schritt war er draußen, ein unwirscher Zausel mit langem Bart und noch längeren Haaren, und hastete weiter, die Stufen nach unten und in die Garage. Mich würdigte er keines Blickes, obwohl er eben noch für meine Anwesenheit im Hause de Temples gewesen war. Sekunden später heulte der Motor seines Firmenwagens auf und verriet mehr über die Stimmung meines Onkels, als ihm lieb sein konnte. Anscheinend war ich nicht die einzige chronisch Wütende in dieser Familie. Schade, dass Klaus angeheiratet war, die Ausrede mit den Genen würde nicht ziehen.
    Ich drehte mich wieder Richtung Hintertür und wappnete mich gegen das Unvermeidliche: die Konfrontation mit meiner Tante. Sie saß stocksteif auf der Couch und starrte zur Tür, durch die Klaus gegangen war – mit leerem Blick direkt durch mich hindurch. Anscheinend war sie direkt von der Gartenarbeit in den Streitmodus übergegangen. Ihre langen Haare waren noch unordentlicher, der Schmutzfleck immer noch auf ihrer Wange. In dem großen Zimmer, im Halbdunkeln wirkte sie zerbrechlich und sehr, sehr allein. Ich brachte es nicht über mich, einfach zu gehen.
    »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    Sie starrte weiter ins Leere und reagierte auch nicht, als ich einen Schritt in das Zimmer hinein machte. »Tante Meg?« Ich zögerte und mein Gewissen fand, dass das der richtige Zeitpunkt war, um sich mal wieder bemerkbar zu machen. Auf meine Gefühle nahm es dabei wie immer keine Rücksicht, auch wenn es dafür lügen musste, bis sich die Balken bogen. »Ich … es ist in Ordnung, wenn ihr mich zurückschickt …« Ich drehte mich um, damit Meg nicht sah, wie sehr ich mich zusammenreißen musste, um nicht zu weinen. Aber irgendwann musste es ja zur Sprache kommen. Und je eher, desto besser, desto weniger würde ich meine Freiheit vermissen. »Ich meine … ich möchte euch nicht zur Last fallen …«, versuchte ich und verstummte dann, denn ich konnte unmöglich den fragilen Zustand ihrer Ehe ins Spiel bringen.
    »Du fällst uns nicht zur Last.«
    Überrascht drehte ich mich um. Meg war aufgestanden, ihr Gesichtsausdruck so wütend, dass ich unwillkürlich einen Schritt nach hinten machte. Ich schüttelte den Kopf, schließlich war ich

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