Traumzeit
es nicht.«
»Er fühlt sich warm an. Hier, spürst du es?« Sie legte ihm den Stein in die Hand.
Er schüttelte den Kopf. »Ich fühle nichts. Ich finde, er fühlt sich wie ein Stein an.« Er gab ihr den Opal zurück. »Du hast nicht gewußt, daß deine Eltern diesen Edelstein besitzen?«
»Ich kann mich nicht daran erinnern, daß sie je darüber gesprochen haben«, erwiderte Joanna. Sie konnte den Blick nicht von dem rot zuckenden Herzen des Opals wenden.
In diesem Augenblick erschien Philip McNeal, gefolgt von Sarah mit Adam. »Ich glaube, ich habe eine Lösung für Ihr Problem, Mr. Westbrook«, sagte er. »Dort drüben scheint der Boden zum Bauen geeignet zu sein. Wir können tiefe Fundamente graben, die etwa ein bis zwei Meter unter den Wasserspiegel reichen, und sie mit Beton füllen. Wir können das Erdgeschoß höher legen und mit einem betonierten Keller gegen das Wasser sichern. Wenn es trotzdem bei Hochwasser Probleme geben sollte, könnte man einen Schutzdamm anlegen. Aber ich fürchte, das wird teuer, und die Bauzeit wird sich sehr verlängern. Wenn Sie es für richtig halten, nicht hier zu bauen, dann finde ich, das ist eine gute Alternative. Wenn Sie Lust haben, kommen Sie mit, und ich zeige Ihnen die Stelle.« Zu Joanna sagte er lächelnd: »Ich weiß, daß man das Haus dort bauen kann, Mrs. Westbrook, denn als ich den Platz abgegangen bin, hat Sarah kein Wort gesagt.«
Als Joanna und Sarah schweigend zum Hof zurückgingen, drehte sich Sarah noch einmal nach Philip McNeal um.
Kapitel Dreizehn
1
»Man hat deine alte Rivalin Wilma Todd mit Colin MacGregor ausreiten sehen«, sagte Louisa Hamilton und beobachtete, wie Pauline den Bogen auf die weit entfernte Zielscheibe richtete und dann den Pfeil abschoß.
Sie traf ins Schwarze.
»Ach ja?« sagte Pauline, nahm einen zweiten Pfeil aus dem Köcher, setzte ihn auf die Sehne, zielte und schoß.
Wieder ein Volltreffer.
»Gut gemacht, Pauline!« rief Louisa. »Damit hast du sechs Treffer auf sechzig Meter. Das ist ein Rekord für den Schützenclub im westlichen Distrikt!«
Pauline übte am privaten Schießstand auf Lismore, während Louisa in einem Sessel unter einem Sonnenschirm saß, Limonade trank und ihr zusah. »Es muß wunderbar sein, soviel Talent zu haben«, sagte sie, »ich beneide dich.«
Pauline warf einen Blick auf ihre Freundin. Sie wußte, daß Louisa sie schon immer beneidet hatte. Aber in letzter Zeit kam zu dem Neid eine Spur Schadenfreude. Der ganze Distrikt schien davon angesteckt. Pauline machte sich keine Illusionen darüber, was ihre Freundinnen dachten: Ein Kindermädchen hat sie ausgestochen! Es half wenig, daß Pauline und Hugh allen erklärt hatten, Pauline und nicht Hugh habe die Hochzeit abgesagt. Und es wurde auch geflissentlich übersehen, daß Joanna Drury kein Kindermädchen, sondern die Tochter eines Edelmannes war. Es ließ sich nicht ändern, Paulines Ruf hatte Schaden genommen.
»Was wollte ich gerade sagen?« überlegte Louisa laut und trank einen Schluck Limonade. »Ach ja, Wilma Todd und Colin MacGregor. Man hat sie bereits viermal zusammen gesehen. Man munkelt sogar, daß sie heiraten werden.«
»Wirklich?« fragte Pauline und wartete, bis der Diener die Pfeile aus der Zielscheibe entfernt hatte. Sie wußte bereits von Wilma Todd und Colin MacGregor. Es beunruhigte sie nicht weiter. Es beunruhigte sie auch nicht, daß mehrere junge Damen im Distrikt, die sehr viel jünger waren als sie, sich jetzt, nachdem das Trauerjahr für Christina vorüber war, Hoffnungen auf den gutaussehenden Colin machten, denn schließlich war er eine gute Partie. Es beunruhigte Pauline auch nicht, daß sie trotz ihrer wohlüberlegten Strategie, mit der sie Colin MacGregor für sich gewinnen wollte, nur erreicht hatte, daß er sie aus ihr unbekannten Gründen verschmähte. Sie würde ihn schließlich doch bekommen. Sie war dazu entschlossen.
Als die Zielscheibe wieder frei war, wählte sie den nächsten Pfeil, hob den Langbogen, spannte die Sehne und schoß. Diesmal verfehlte der Pfeil knapp den schwarzen Punkt in der Mitte.
Pauline spürte das zufriedene Lächeln ihrer Freundin im Schatten unter dem Sonnenschirm. Nachdem Hugh nicht Pauline, sondern die bezaubernde Joanna Drury geheiratet hatte, gab Louisa sich Pauline gegenüber mit einem gewissen Anflug von Überlegenheit. Pauline ließ sich jedoch nichts anmerken und sah darüber hinweg. Louisa und alle anderen im Distrikt sollten denken, was sie wollten, sagte sie sich
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