Traumzeit
erschienen mit Berichten vom Parlament, von der Polizei, vom Hafen, während die riesige Uhr hoch oben an der Wand das hektische Treiben wie ein Auge verfolgte und tickend die Minuten zählte. Darunter stand auf einer großen Tafel: DIE
TIMES
SCHLÄFT NIE !
Frank warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, es war Zeit, um ins King George Hotel zu gehen, wo er sich mit den Westbrooks zum Abendessen verabredet hatte.
Joanna Westbrook, dachte er, ja, das ist ein Geheimnis! Manchmal erfaßte ihn selbst die Lust herauszufinden, welch seltsame und furchterregende Dinge sich vor neununddreißig Jahren an diesem Ort namens Karra Karra ereignet haben mochten. Welches Unglück war über einen jungen Weißen, seine Frau und ihre kleine Tochter hereingebrochen? Was war das für ein Fluch oder Gift-Gesang oder was immer es auch sein mochte, der seitdem auf ihrem Leben und dem ihrer Nachkommen lag? Und dann diese seltsamen Träume von einer Regenbogenschlange … Wie war es dem jungen Paar gelungen, bei den Ureinwohnern zu leben, die vermutlich zum ersten Mal Weißen begegneten?
Man hörte immer wieder Berichte von ›Weißen in der Wildnis‹, von einem Mann oder einer Frau, die von Ureinwohnern in die Sippe aufgenommen worden waren. Australiens kurze Vergangenheit war voll von solchen Geschichten. Sogar jetzt gab es Gerüchte, nach denen man im westlichen Queensland wieder einen Weißen gefunden hatte, der bei einer Sippe lebte. Frank überlegte, ob es sich dabei um das vermißte Mitglied der gescheiterten Expedition von 1871 handeln konnte. Ein Polizeitrupp hatte den Weißen bei den Aborigines in der Nähe von Cooper’s Creek entdeckt. Der Mann hatte ausgesagt, er sei Mitglied der Expedition gewesen. Er behauptete auch, nicht die Ureinwohner hätten die Mitglieder der Expedition getötet, sondern unter den Männern sei es zum Kampf gekommen, als ein Teil die Expedition abbrechen und zurückkehren wollte. Die Polizei brachte den Mann nach Melbourne, und Frank wollte ihn persönlich befragen.
Als Frank gerade sein Büro verlassen wollte, kam sein Sekretär mit einem Briefumschlag. »Mr. Downs«, sagte er, »das ist eben für Sie abgegeben worden.«
Sein Anwalt schickte ihm den Vertrag, mit dem Colin MacGregor Besitzer der fünftausend Morgen Land wurde.
Frank freute sich, daß seine Schwester endlich heiratete, obwohl er wahrscheinlich einen anderen Mann als MacGregor für sie gewählt hätte. Aber da sie glücklich war, freute er sich auch. Und als sie ihn als Hochzeitsgeschenk darum gebeten hatte, Colin die fünftausend Morgen Land zu überlassen, wollte Frank ihr diese Bitte nicht abschlagen. Er konnte sich nicht vorstellen, was MacGregor mit diesem Land anfangen wollte – es war völlig nutzlos. Aber Pauline war zufrieden, und nur das zählte. Seit sie die Verlobung mit Westbrook gelöst hatte, fürchtete Frank, sie würde ihr Leben lang eine alte Jungfer bleiben. Aber schließlich hatten sich die Dinge für alle Beteiligten zum Besten gewendet.
Wenn ich doch nur etwas tun könnte, dachte er traurig, um
meine
Lage zu verbessern.
Seit der Typhusepidemie vor einem Jahr lebte Frank wieder in Melbourne. Er hatte verschiedene junge und akzeptable Frauen kennengelernt. Aber er sah sich außerstande, mehr als nur höflich und freundlich zu ihnen zu sein. Und nach zwei oder drei Begegnungen verzichtete er auf weitere Treffen. Diese Frauen vermochten ihn einfach nicht zu interessieren.
Frank dachte gelegentlich an Ivy Dearborn, und ihr geheimnisvolles Verschwinden wollte ihm noch immer nicht aus dem Kopf. Er hatte im westlichen Distrikt nach ihr gesucht und dann in der
Times
in einer Notiz um Informationen gebeten, so wie er seine Leser aufgefordert hatte, der Zeitung Hinweise auf Karra Karra zu geben. Aber niemand schien etwas über Ivy Dearborn zu wissen.
Vielleicht ist sie doch an Typhus gestorben, sagte er sich wieder einmal, als er den Fahrstuhl betrat, den zu benutzen alle außer ihm ablehnten. Vielleicht war sie auch nach England zurückgekehrt. Was auch geschehen sein mochte, Frank war entschlossen, sie zu vergessen. Er mußte jetzt an andere Dinge denken.
Kapitel Fünfzehn
1
»Es gibt einen schönen Ort«, erzählte Sarah, »den niemand sieht. Es ist ein Tal mit grünem Gras, mit Bäumen und Bächen. In diesem Tal leben die Monde.« Sie stand am Herd und machte Tee für Philip McNeal und Adam. Sie redete leise. »Die Monde sind in ihrem Tal sehr glücklich, aber manchmal werden diese Monde von
Weitere Kostenlose Bücher