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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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die Haut zu gehen. Dieser Mann besaß die Robustheit der Leute aus dem Busch, aber in einer Hinsicht unterschied er sich von anderen Männern dieser Lebensweise: Er besaß Manieren und eine Kultiviertheit, wie man sie bei Männern, die nicht in der Stadt wohnten, selten erlebte.
    Mrs. Tallhill legte die Urkunde vor ihn auf den Tisch und deutete mit ihrem langen, zarten Zeigefinger darauf. »Ich habe mich zuerst auf diese Stelle hier konzentriert«, sagte sie. »Zwei Tagesritte von etwas Unleserlichem, und 20  Kilometer von etwas, das wie Bo … Creek aussieht. Ich will Ihnen zeigen, wie ich es schließlich herausgefunden habe.« Sie nahm ein Blatt Papier. »Sehen Sie auf der Urkunde hier diese Rundung und hier diese Linie. Ich habe die Worte, so gut ich konnte abgeschrieben und mich dabei an die leserlichen Linien gehalten. Wie Sie auf diesem Blatt sehen, habe ich sie dann auf eine andere Weise geschrieben, das heißt, ich füllte die unleserlichen Stellen so lange mit immer wieder anderen Buchstaben, bis ein mögliches Wort daraus wurde. Hier, Mr. Westbrook, dieser Buchstabe ist ein ›t‹. Der hier sieht wie ein ›l‹ aus. Wenn man ein ›l‹ schreibt, ergibt das keinen Sinn. Aber wenn man den Buchstaben für ein langgezogenes ›e‹ hält, dann bekommen wir ein richtiges Wort.«
    Hugh verglich die beiden Schriftproben mit den verblaßten Buchstaben auf der Urkunde. »Das erste Wort, Mr. Westbrook«, fuhr sie fort, »heißt Durrebar.«
    »Ja«, sagte er und nickte zustimmend, »ich kann es jetzt sehen.«
    »Das zweite Wort erwies sich als etwas schwieriger. Aber es ist mir gelungen, es zu entziffern. Bowman’s Creek. Und so habe ich es herausgefunden.« Sie nahm ein zweites Blatt Papier, auf dem verschiedene Worte in unterschiedlichen Schreibweisen standen.
    »Ich zweifle nicht daran, Mr. Westbrook, daß das auf dieser Urkunde bezeichnete Land zwei Tagesritte von Durrebar entfernt liegt. Vermutlich ist das eine Bezeichnung der Aborigines für einen bestimmten Platz. Und er liegt zwanzig Kilometer von Bowman’s Creek entfernt.«
    »Ja«, Hugh strahlte, »ja natürlich. Haben Sie herausfinden können, in welcher Kolonie die Urkunde ausgestellt wurde?«
    »Leider nein. Offensichtlich war das Dokument irgendwann einmal Wasser ausgesetzt. Das offizielle Siegel und das Datum sind beinahe völlig unleserlich. Ich habe mich äußerst genau damit beschäftigt, Mr. Westbrook, aber ich kann nichts Leserliches erkennen. Und wie Sie sehen, ist auch die Unterschrift völlig verwischt.«
    »Bowman’s Creek und Durrebar«, sagte Hugh. Er wollte so schnell wie möglich zurück zum Hotel und zu Joanna. »Ich kann Ihnen nicht genug danken, Miss Tallhill.«
    Sie lächelte. »Jeder hätte das gekommt. Es ist nur eine Frage von Zeit und Geduld. Und wie Sie sehen, Mr. Westbrook«, sie legte die rechte Hand auf ein Rad ihres Rollstuhls, »Zeit habe ich im Überfluß.«
    »Ist es Ihnen gelungen, die Schriftprobe von John Makepeace zu entziffern?«
    »Ich habe mich damit beschäftigt, Mr. Westbrook. Und Sie irren nicht, wenn Sie es für eine Art Stenographie halten. Aber bis jetzt konnte ich das System nicht ergründen. Wenn Sie mir die Schriftprobe hier lassen, werde ich weiter daran arbeiten. Ich kann Ihnen meine Ergebnisse per Post zuschicken.«
    Als er Miss Tallhill für ihre Mühe bezahlen wollte, lehnte sie ab und sagte: »Es war mir ein Vergnügen. Und wir haben das Rätsel noch nicht ganz gelöst, Mr. Westbrook. Ich werde mich sofort wieder mit der Kurzschrift beschäftigen.«
    Er verabschiedete sich, und Miss Tallhill fuhr mit dem Rollstuhl ans Fenster. Sie teilte den Vorhang, blickte auf die regennasse Straße hinaus und sah, wie er eilig in eine Kutsche stieg. Miss Tallhill fand es verblüffend, wie sehr Hugh Westbrook sie an ihren geliebten Stephen erinnert hatte. Ihr Stephen war vor zwanzig Jahren zur Goldsuche aufgebrochen und nie zurückgekommen. Adele hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, er werde eines Tages wiederkommen.
    Sie rollte wieder zum Kamin. »Eine hysterische Lähmung«, hatten die Ärzte gesagt. »Ihren Beinen fehlt nichts, Miss Tallhill. Sie können gehen, wenn Sie wollen.«
    Aber das war Unsinn. Was wußten Ärzte schon von Leiden, die ihre tödlichen Wurzeln im Herzen hatten?
    Ja, dachte sie und seufzte. Mr. Westbrook erinnerte sie sehr an ihren geliebten Stephen. Deshalb hatte sie ihn auch nicht mit leeren Händen wegschicken können. Sie hätte es nicht ertragen, auf seinem Gesicht, das

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