Traumzeit
redete leise mit Adam, warf Holz in den Kamin und vergewisserte sich, daß die Fensterläden geschlossen waren, denn der Wind blies bereits heftig. Sarah mochte den Amerikaner. In seiner Nähe fühlte sie sich ruhig und sicher. Sie überlegte, ob sie mit ihm über ihre Kümmernisse und Ängste sprechen sollte. Sie machte sich Gedanken über den Gift-Gesang, der Joanna bedrohte, und über den bösen Zauber, der möglicherweise den Typhus gebracht hatte wie jetzt dieses Unwetter, das Sarah unheimlich war und ihr Angst machte. Sie spürte, es würde kein gewöhnliches Gewitter werden.
McNeal trat zu ihr an den Herd und beobachtete sie. »Amerikaner trinken keinen Tee«, sagte er langsam. »Die meisten Amerikaner trinken Kaffee. Weißt du, was Kaffee ist?«
Sarah goß den Tee durch ein Sieb und antwortete: »Nein, ich kenne keinen Kaffee.«
Sie war sich seiner Anwesenheit in allen Einzelheiten bewußt – das leise Lachen, die gelöste und unbeschwerte Art, in der er neben ihr stand. »Blütenstaub im Wind war wie du«, sagte McNeal, »sie hatte auch ein besonderes Wissen. Sie konnte es nicht erklären. Sie sagte, daß ihre Vorfahren zu ihr sprechen würden. Aber sie meinte, das Wissen gleiche mehr einer Erinnerung. Manchmal hatte sie Vorahnungen. Sie wußte, daß etwas geschehen würde. Geht es dir jetzt genauso, Sarah?«
Sie sah ihn an. Ja, dachte sie, mir geht es genauso.
Wieder hörten sie den Donner in der Ferne. McNeal blickte aus dem Fenster. »Vielleicht hast du recht, Sarah. Möglicherweise steht uns eine schlimme Nacht bevor.« Er sah sie an. »Ich werde zum Bauplatz gehen und meine Arbeiter nach Hause schicken. Wenn ich das nicht tue, kann es schlimm für sie werden. Das weißt du, nicht wahr?«
Sie erwiderte seinen Blick.
Und was weißt du sonst noch, dachte er und griff nach seiner Jacke, was noch?
2
Als Joanna mit dem Einspänner in den Hof rollte, warf sie einen besorgten Blick auf die Berge in der Ferne. Ein seltsames blaugrünes Licht lag an diesem späten Nachmittag über ihnen, und dicke Wolken verhüllten die Gipfel. Der ganze Himmel hatte ein ungewöhnliches Licht, die Luft war eigenartig, als würde der Luftdruck schnell sinken. Ein Gewitter zog auf.
Sie war nach Cameron Town gefahren, um nachzusehen, ob vielleicht ein Brief der Reederei gekommen war, der die beiden Schiffe
Pegasus
und
Minotaurus
gehörten. Sie hatte auch auf einen Brief von Patrick Lathrop aus San Francisco gehofft. Aber es war nur ein Brief von Tante Millicent dagewesen. Joanna war wegen des Wetters allein gefahren, und die Fahrt hatte länger als üblich gedauert. Es war bereits spät, und der Himmel sah bedrohlich aus. Sie blickte sich auf dem verlassenen Hof um. An einem Samstagnachmittag waren die Männer üblicherweise unten in Faceys Pub oder sie saßen zusammen, unterhielten sich und tranken. Morgen war Sonntag, und Hugh gab seinen Leuten den Samstagnachmittag immer frei. Er tat es als einziger Farmer im Distrikt. Joanna hörte aber aus dem Schlafhaus der Arbeiter keine Stimmen, auch nicht die Maultrommel oder das Banjo. Und in den Ställen sah sie keine Pferde.
»Was ist los, Matthew?« fragte Joanna den Stallburschen, dem sie den Wagen übergab.
»Sie sind alle auf den Weiden, Missus. Mr. Westbrook meint, es kommt ein Unwetter. Da werden die Schafe unruhig. Manchmal geraten sie sogar in Panik.«
Joanna blickte über die langgestreckten Hügel unter dem grauen Himmel. Es war Juni, die Zeit für Hugh und seine Leute, den Schafen, die bald Lämmer bekamen, die Schwänze und Hinterbeine zu scheren. Das geschah aus Gründen der Sauberkeit besonders in Hinblick auf das Lammen, aber auch als Schutz gegen Schmeißfliegen und Infektionen. Es war eine schwierige Aufgabe. Die Männer kämpften mit den ängstlichen Schafen und mußten aufpassen, damit sie die Tiere oder sich selbst nicht verletzten. Es war eine richtige Knochenarbeit, und die Männer hatten sich bereits die ganze Woche über auf ihren Rum am Samstagabend gefreut. Aber da ein Unwetter drohte, waren sie jetzt draußen und hielten Wache bei den unruhigen Herden.
Im Haus brannte das Feuer im Herd, und der Raum war angenehm warm. Peony, Jackos Tochter, saß am Tisch und reinigte die Glaszylinder der Petroleumlampen, während Adam Butterbrot mit Ei aß. »Mama!« rief er, als er Joanna sah, und lief zu ihr.
Joanna nahm Adam in die Arme und drückte ihn an sich. Dann setzte sie den Hut ab. »Wo ist Mr. Westbrook?« fragte sie.
»Er ist mit Mr. McNeal
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