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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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daß du nicht gerecht bist, Vater.«
    »Judd«, Colin lächelte geduldig, »du bist erst fünfzehn. Du weißt noch nicht, was du wirklich willst.«
    »Ich werde bald sechzehn. Wußtest du in dem Alter nicht genau, was du wolltest?«
    Colins Lächeln wurde traurig und nachdenklich. »Ich glaubte es zu wissen. Aber damals war ich jung und dumm. Ich habe viele Fehler gemacht. Das möchte ich dir ersparen.«
    »Ich möchte lieber meine eigenen Fehler machen, Sir.«
    Colin mußte kurz an das grollende und unversöhnliche Gesicht von Sir Robert denken. »Fehler bedeuten Leid«, sagte er zu Judd, »und ich möchte dir das Leid ersparen, das ich ertragen mußte. Du weißt, daß ich manchmal den Tag bedaure, an dem ich nachgegeben habe, als du mich bestürmt hast, Tongarra besuchen zu dürfen. Ich hätte dich auf eine Schule nach England schicken sollen, wie ich es vorhatte. Aber ich dachte, wenn du auf eine Landwirtschaftsschule gehst, dann würde das Kilmarnock zugute kommen. Ich sehe jetzt, daß ich mich getäuscht habe.«
    »Aber Vater, die Schule ist gut für mich«, erwiderte Judd eifrig, »und ich glaube, daß es mir eines Tages gelingen wird, mit dem, was ich gelernt habe, eine neue Weizenart zu züchten, die unter trockenen Bedingungen gedeiht.«
    »Judd, du wirst Schafe züchten und keinen Weizen«, erklärte Colin. Er kam hinter dem Schreibtisch hervor und legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter. »Ich wünschte, wir würden uns nicht in dieser Art streiten. Verstehst du denn nicht, daß ich nur das Beste für dich will? Ich kann nicht erlauben, daß du dich soweit erniedrigst, Lehrer zu werden.«
    »Ich werde nicht ewig Lehrer sein, Vater. Ich möchte Wissenschaftler werden.«
    Colin schüttelte den Kopf. Woher hatte der Junge nur diesen Eigensinn? Und plötzlich sah sich Colin in einem ähnlichen Arbeitszimmer. Er stand in der großen Burg vor einem ebenso strengen Vater, wie er es jetzt war, und er hörte ihn sagen: »Du wirst eines Tages der Laird von Kilmarnock sein. Ich verbiete dir, nach Australien zu fahren.«
    Nein, dachte Colin, das war etwas anderes. Ich mußte weg von zu Hause. Ich mußte meinen Weg selbst finden. »Judd, ich habe diese Farm für dich aufgebaut. Am Tag deiner Geburt habe ich gelobt, daß ich dir ein Imperium übergeben werde. Wie kannst du mir jetzt sagen, daß du damit zufrieden bist, ein Lehrer zu sein?«
    »Ich werde mich mit nichts zufriedengeben, Vater. Es gibt so vieles, was ich lernen will, was ich tun will …«
    »Judd, du wirst eines Tages der Laird von Kilmarnock sein …«
    »Vater, ich bin kein schottischer Lord und werde es auch nie sein. Ich bin Australier und ich bin stolz darauf.«
    Colin seufzte ungeduldig. Woher hatte der Junge nur diese Ideen? Vom ersten Tag an, als Judd sprechen konnte, hatte Colin ihm von seiner Heimat auf den Hebriden erzählt. Er beschrieb ihm die rauhe Schönheit von Skye, die Sturmwolken am Himmel, die saftigen samtgrünen Wiesen, die majestätische Erhabenheit der Cuillins; er schwärmte von Lochs, deren Wasser an flüssiges Zinn denken ließ; er beschrieb die halb zerfallenen Hütten der Bauern und erinnerte an die Jahrhunderte der Geschichte, die mit diesem Boden verbunden waren. Colin hatte Judd die Liebe und die Treue zum alten Stammsitz seiner Vorfahren, der Burg Kilmarnock, gelehrt und zu Schottland im allgemeinen.
    Wo ist diese Treue jetzt? fragte sich Colin. Was hatte er falsch gemacht bei dem Versuch, seinem Sohn ein Gefühl für seine Abstammung und den keltischen Stolz zu vermitteln? Die Helden von Judds Kindheit hätten William Wallace und Robert the Bruce sein müssen, statt dessen verehrte er einen rebellischen Sträfling namens Parkhill und einen Gesetzlosen, der Kelly hieß.
    In diesem Augenblick ging Pauline draußen auf dem Gang an Colins Arbeitszimmer vorüber. Sie hörte Stimmen durch die geschlossene Tür. Sie überlegte, ob dies wohl ein günstiger Moment sei, mit Colin zu sprechen. Sie wollte ihm vorschlagen, daß sie zusammen, nur sie beide, an einen schönen und romantischen Ort verreisten. Sie blieb vor der Tür stehen und lauschte.
    Judd stritt sich wieder einmal mit seinem Vater.
    Manchmal wünschte sich Pauline, Judd wäre ihr Kind. Er war groß und sah gut aus. Er glich seiner Mutter mehr als seinem Vater: Er war intelligent und hatte ein umgängliches Wesen. Pauline hatte anfangs ohne großen Erfolg versucht, ihm eine Mutter zu sein. Sie und auch Colin konnten nicht vergessen, daß Judd das Kind einer

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