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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Familien zu kündigen. Es handelte sich um Farmer, die keineswegs Probleme wie Drummond hatten, sondern in diesem Jahr mit guten Gewinnen rechnen konnten und deshalb ihre Hypotheken ablösen würden, wenn sie die Wolle oder den Weizen verkauft hatten. Colin reagierte in solchen Fällen damit, daß er den Kredit kündigte, und den ganzen Betrag vor dem Verkauf der Wolle oder der Ernte zurückforderte. Auf diese Weise zwang er den Farmer und seine Familie, das Land ohne einen Penny Entschädigung aufzugeben, und er kassierte das Anfangskapital, das der Mann in die Farm gesteckt hatte. Colin sah sich sofort nach einem neuen Käufer um, der wiederum hoffte, sich mit etwas Eigenkapital den Traum von der eigenen Farm zu erfüllen. Colin rechnete damit,
ihn
ebenfalls von dem Land vertreiben, wenn er dicht davor stand, seine Schulden zu bezahlen. Für Colin war es eine lächerlich einfache Methode, Geld zu verdienen. Er verachtete Großgrundbesitzer, die nicht zu solchen Methoden griffen, denn sie waren schließlich völlig legal.
    Nachdem McBean gegangen war, griff Colin nach einem Brief, den er am Morgen aus Schottland erhalten hatte. Er las noch einmal den einen wichtigen Satz in dem Schreiben seiner Mutter: ›Dein Vater ist sehr krank. Ich wünschte, du könntest nach Hause kommen.‹
    Nach Hause, dachte Colin bitter. Er würde gerne nach Hause zurückkehren. Er wollte sich dem Land nicht entfremden, in dem er geboren war. Colin hatte ernsthaft versucht, sich mit seinem Vater auszusöhnen, als er vor sieben Jahren mit Pauline zur Hochzeitsreise auf die Insel Skye gefahren war. Aber Sir Robert hatte es abgelehnt, ihn zu empfangen. Er verübelte seinem Sohn immer noch, was dieser vor vielen, vielen Jahren in einem Streit darüber gesagt hatte, daß Sir Robert die Farmer von ihrem Pachtland vertrieb, um mit der Schafzucht größere Gewinne zu machen. Colin hatte daraufhin seinem Erbe den Rücken gekehrt und war nach Australien gefahren. Er und Pauline verbrachten bei ihrer Rückkehr zwei Wochen auf Skye und überließen sich dem schwermütigen Charakter der Insel. Sie streiften durch die Erlen- und Birkenwälder und ritten über die Hochmoore, wo Schafe mit schwarzen Köpfen weideten. Sie jagten in den Wäldern um die Burg und angelten im Loch Kilmarnock. Sie stießen auf keltische Kreuze und Grabsteine, deren Inschriften man nicht mehr lesen konnte. Sie speisten mit Lady Anne, kürzten den Besuch ab und fuhren zurück, ohne Sir Robert ein einziges Mal gesehen zu haben.
    Colin wurde noch einmal durch ein Klopfen an der Tür in seinen Gedanken unterbrochen. Es war der fünfzehnjährige Judd. Er trug die Schulkleidung der Landwirtschaftlichen Hochschule Tongarra: graue Flanellhose und einen marineblauen Blazer. Judd war groß geworden und sehr schlank. Er hatte weißblondes Haar und entwaffnend blaue Augen. »Kann ich kurz mit dir sprechen, Vater?« fragte er.
    Colin freute sich, ihn zu sehen. »Aber gewiß doch, mein Sohn. Komm herein.«
    Judd schloß die Tür hinter sich und zögerte. Er hätte mit seinem Vater lieber an einem anderen Ort gesprochen, etwa im Wohnzimmer, und nicht hier, wo die Vergangenheit und die Toten so unheimlich gegenwärtig waren. Mit beinahe sechzehn empfand Judd immer noch großes Unbehagen im Arbeitszimmer seines Vaters. Er versuchte, nicht auf die letzte Stickerei zu blicken, die Lady Anne angefertigt hatte. Sie hing gerahmt und unter Glas an der Wand und hatte die Inschrift eines Gedichts: ›Die Gespensterkirche von Kilmarnock‹, wo
»Über Kilmarnock blies der Wind so kalt, Wo in der Nacht der Ruf der Geister und Gespenster schallt.«
Judd fand Gedichte über den australischen Busch schöner, etwa Hugh Westbrooks Balladen. Sie erzählten von der goldenen Sonne und dem strahlenden Himmel und von Männern, die lebten und mutig waren. Sie fürchteten sich nicht vor Geistern oder Legenden.
    »Was gibt es, Judd?« fragte Colin und schenkte sich einen Whiskey ein. Er freute sich schon jetzt auf den Tag, an dem er Judd in seinen Club in die Stadt mitnehmen würde und sie sich beim ersten Glas zuprosten würden.
    »Man hat mich aufgefordert, eine Entscheidung zu treffen, Vater. Ich werde bald sechzehn und schließe die Schule ein Jahr später ab. Aber wenn ich bleibe, dann gibt man mir die Möglichkeit, ein besonderes …«
    Colin hob die Hand. »Du kennst meine Meinung zu diesem Thema, Judd. Ich habe es dir klar und deutlich gesagt. Warum müssen wir noch einmal darüber sprechen?«
    »Ich finde,

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