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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Haarlocken, die sich aus der Hochfrisur gelöst hatten und auf der samtigen Haut ihres Nackens lagen. Die natürliche Ausstrahlung von Sexualität verschlug ihm die Sprache. Die betörende Sinnlichkeit schien kaum gemildert durch die fein gearbeiteten Perlenohrringe, die sittsame Kamee-Brosche am Hals und die Schildpattkämme, die die dichten braunen Haare hielten.
    »Wissen Sie, Philip«, Sarah verschloß die Krüge mit Korken, »wenn Sie ein australischer Eingeborener wären, würde ich sagen, Sie sind viel auf der Wanderschaft. Ich würde sagen, Sie folgen Ihrem Traumpfad.«
    »Folge ich ihm«, sagte er, »oder suche ich ihn vielleicht nur? Kann ein Traumpfad um die ganze Erde führen, Sarah?«
    »Ja. Aber irgendwann und irgendwo muß er enden. So wie am Anfang ein Träumen steht und am Ende.«
    »Ich weiß, man nennt es Geburt und Tod. Vielleicht ist mein Leben mein Traumpfad, und ich weiß nicht, wohin er mich führt.«
    Sie lächelte. »Sie haben sich die Haare abschneiden lassen.«
    Er strich sich über den Hinterkopf. »Schon vor ein paar Jahren. Alice mochte die langen Haare nicht. Für mich war es eine Erinnerung an meine Zeit bei den Navajos. Manchmal glaube ich, es war die glücklichste Zeit meines Lebens. Das«, sagte er, »und die sechs Monate hier.«
    Ein großer Nachtfalter flog plötzlich von außen gegen die Glasscheibe über dem Arbeitstisch. Er flatterte verzweifelt gegen das Glas und schlug heftig mit den Flügeln, um in den Raum zu gelangen, wo das Licht brannte. Sarah beobachtete den Falter und war sich plötzlich überdeutlich bewußt, daß Philip ganz nahe bei ihr saß und sie betrachtete. Etwas ereignete sich zwischen ihnen, und sie wußte, er spürte das auch. Und sie wußte, daß sie sich beide davor fürchteten.
    »Erzählen Sie mir von dem Buch, das Sie schreiben«, sagte Sarah.
    »Ich möchte australische Landhäuser zeichnen und so bald wie möglich damit anfangen. Ich will durch den Distrikt fahren und mir die typischsten Beispiele australischer Architektur aussuchen. Vielleicht können Sie mich dabei begleiten.«
    »Joanna und ich fahren morgen nach Neusüdwales. Wir sind in ein Missionsdorf eingeladen worden.«
    »Wann kommen Sie zurück?«
    »Ich weiß nicht genau, wann«, sie bemerkte, daß der Nachtfalter davongeflogen war.
    3
    Joanna warf sich im Schlaf unruhig hin und her.
    »Wo sind wir, Mutter? Was machen wir hier?«
    Lady Emilys Stimme kam von weit, weit her: »Psst, mein Kleines. Wir verstecken uns.«
    »Wovor verstecken wir uns, Mutter?«
    »Vor den Hunden …«
    Joanna setzte sich kerzengerade im Bett auf. »Nein!« schrie sie.
    Hugh erwachte. »Joanna«, er richtete sich auf, »was ist los? Wieder ein Alptraum?«
    Joanna zitterte so heftig, daß sie kaum sprechen konnte. »Es war schrecklich«, flüsterte sie, »es war alles so … so wirklich.«
    »Trink doch ein Glas Milch. Und dann laß uns darüber sprechen.«
    Sie legte ihm eine Hand auf die Wange und fühlte seine Bartstoppeln. Hugh war sehr spät ins Bett gekommen. Er mußte früh aufstehen und zu den weit entfernten Herden reiten, um dafür zu sorgen, daß sie Wasser bekamen. »Mach dir keine Sorgen«, sagte sie, »es geht schon wieder. Ich werde aufstehen und eine Weile lesen.«
    Sie zog ihren Morgenmantel an, verließ leise das Schlafzimmer und schloß die Tür hinter sich. Sie ging ins Wohnzimmer, zündete die Lampe an, setzte sich in einen Sessel und legte den Kopf an das Rückenpolster. Sie schloß die Augen und versuchte, mit Willenskraft die Kopfschmerzen zu vertreiben. Sie wußte, dagegen half keine Medizin. Es gab keinen körperlichen Grund für den Kopfschmerz. Sie konnte nur mit Konzentration das dumpfe Pochen zurückdämmen, das sich jedesmal mit einem Alptraum einstellte.
    Wenn ich diese Träume doch nur vertreiben könnte, dachte sie gequält. Sie hatte das Tagebuch ihrer Mutter mit ins Wohnzimmer genommen, schlug es auf und blätterte darin. Wie oft schon hatte sie diese Seiten gelesen, aber sie begann von neuem, weil sie hoffte, vielleicht eine Anspielung, einen Schlüssel zu finden, der ihr bisher entgangen war.
    Die Uhr über dem Kamin tickte leise. Draußen vor dem Haus raschelte etwas unter den Büschen. Ein Nachtvogel setzte sich kurz auf das Fensterbrett und flog dann mit leise schlagenden Flügeln wieder davon.
    Joanna blätterte langsam in dem Tagebuch, bis die Aufzeichnungen ihrer Mutter endeten und ihre Eintragungen begannen – ihre ersten Tage auf Merinda, ihre Sorgen um das Wohl

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