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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Aborigines zu Ehen außerhalb der eigenen Rasse, denn dadurch werden sich die besseren Eigenschaften der Weißen durchsetzen und das Erbe der Schwarzen verschwindet.«
    »Kann man die Entscheidungen des Ausschusses zum Schutz der Aborigines beeinflussen, Mr. Robertson?« fragte sie, als sie wieder in seinem Haus waren. »Kann man den Ausschuß vielleicht dazu bringen, wirklich mehr für die Leute zu tun?«
    »Ich habe es versucht, Mrs. Westbrook, aber ich bin eine Stimme gegen sechs. Deshalb habe ich die Faltblätter auf der Ausstellung verteilt, um andere, die ebenso denken wie ich, auf die Situation aufmerksam zu machen und sie um Hilfe zu bitten.«
    »Ich würde gerne helfen, Mr. Robertson. Sagen Sie mir, was ich tun kann.«
    Er ging zu seinem Schreibtisch und erwiderte: »Ich gebe Ihnen eine Liste mit den Namen der Ausschußmitglieder. Sie können ihnen schreiben. Protestieren Sie gegen die Entscheidung, meine Leute zu zwingen, das Dorf zu verlassen.«
    Während Robertson die Namen aufschrieb, betrachtete Joanna eine Photographie über dem Kamin. Der Text darunter verriet, daß es sich um ein Bild des Alten Wonga handelte, des letzten Häuptlings dieses Gebiets. Bis auf einen Umhang aus Opossumfell war er nackt und hielt stolz einen Speer in der Hand. Was hat dieser Mann wohl gedacht, überlegte Joanna, als er in das Objektiv der Kamera blickte? Hat er im Klicken des Auslösers das Todesurteil für sein Volk gehört?
    »Hier bitte«, Robertson reichte ihr die Liste. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie etwas unternehmen würden. Möchten Sie vielleicht bei uns übernachten? Wir haben Räume für Gäste.«
    Bevor Joanna antworten konnte, fiel ihr etwas auf. Sie sah ein sehr altes und vergilbtes Dokument an der Wand. Es war gerahmt und hing hinter Glas. Joanna trat näher. Sie sah wohlbekannte Punkte, Linien und Kreise, geheimnisvolle Zeichen, mit denen sie inzwischen bestens vertraut war, obwohl ihre Bedeutung sich nach wie vor entzog. »Mr. Robertson!« rief sie plötzlich aufgeregt. »Was ist das?«
    »Das, Mrs. Westbrook, ist mein Stolz und meine Freude. Es ist eine Seite aus Julius Caesars »Der gallische Krieg«. Es ist natürlich nicht das Original, sondern ein sehr gutes Faksimile. Ein Freund hat es mir aus England geschickt. Ich bin nämlich als Klassischer Philologe ausgebildet, müssen Sie wissen.«
    »Aber was ist das? Ich meine die Schrift, Mr. Robertson. Was ist das?«
    »Es ist eine Kurzschrift, eine Art Stenographie, die ein Römer namens Marcus Tullius Tiro erfunden hat. Viele berühmte Männer, darunter auch Julius Caesar, bedienten sich der Tiro-Kurzschrift für ihre Aufzeichnungen. Sie war ungefähr tausend Jahre allgemein bekannt und verschwand im Mittelalter, als man Kurzschrift mit Hexerei und Magie in Verbindung brachte.«
    »Ich möchte Ihnen etwas zeigen«, Joanna ging zu ihrem Koffer, nahm die Ledermappe heraus und zeigte Robertson die Aufzeichnungen ihres Großvaters.
    »Mein Gott!« rief er, »das ist ja dieselbe Kurzschrift! Wer das geschrieben hat, muß wie ich Klassischer Philologe gewesen sein.«
    »Können Sie den Text lesen?«
    »Mal sehen …« Er zog eine Brille aus der Tasche und setzte sie auf. Während er sich auf den Text konzentrierte, zog er die buschigen roten Augenbrauen zusammen. Schließlich sagte er: »Leider nein, Mrs. Westbrook. Mein Dokument ist lateinisch. Dieser Text ist in Englisch geschrieben.«
    »Aber können Sie ihn übersetzen?«
    »Ich bin leider kein Experte in Tiro-Kurzschrift. Sie hat Hunderte von Zeichen, verstehen Sie?«
    »Gibt es eine Möglichkeit, den Text zu entziffern?«
    »Der Freund, der mir das Faksimile geschickt hat, beherrscht die Tiro-Kurzschrift recht gut … Er hat dieses Faksimile sogar selbst geschrieben. Ich werde ihm die Papiere Ihres Großvaters schicken und das Problem erklären. Giles ist mir ohnehin noch einen Gefallen schuldig.«
    Joanna zögerte. »Ich möchte diese Papiere eigentlich nicht aus der Hand geben, Mr. Robertson. Sie sind für mich sehr wertvoll.«
    »Ja natürlich, das verstehe ich. Ich werde Giles bitten, mir den Tiro-Kode mit Erläuterungen zu schicken. Dann können Sie die Aufzeichnungen Ihres Großvaters selbst übersetzen. Wie finden Sie das?«

Kapitel Einundzwanzig
    1
    ›Am Morgen des elften August 1880 , pünktlich um zehn Uhr, erlebte die Kolonie Victoria das Ende einer Ära. Seamus Langtree, der berüchtigte Buschräuber, der so lange anständige Bürger in Angst und Schrecken versetzt und

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