Traumzeit
hörte im Geist noch einmal ihre Stimme: »Der Lohn für geleistete Dienste.«
Wer war sie, daß sie sich erlaubte, so mit ihm zu sprechen! Eine Bardame, die glaubte, Talent zu haben. Eine Frau, die kein anderer Mann wollte. Eine Frau, die in der Collins Street gelandet wäre, wenn Frank nicht gekommen wäre und Mitleid mit ihr gehabt hätte. Und so behandelte diese Frau ihn nach all den Jahren!
Na ja, Gott sei Dank bin ich sie los, dachte er und versuchte, seine Wut unter Kontrolle zu halten. Er mußte bald bei den Carmichaels sein. Sie erwarteten ihn. Er wollte Lucinda einen förmlichen Heiratsantrag machen, und danach wollten sie zur Feier des Tages in ein teures Restaurant essen gehen. In diesem Zustand konnte er nicht bei ihnen erscheinen. Was wäre, wenn sie ihn fragten, was los war? »Wissen Sie, ich bin etwas durcheinander. Ich habe nämlich gerade mit meiner Geliebten Schluß gemacht.«
Großer Gott, warum konnten die Dinge nicht einfach sein? Und warum mußte er erleben, daß Ivy genauso war wie der Rest ihrer Geschlechtsgenossinnen, über die man sich nur ärgern konnte? Frank hatte ihr zugute gehalten, daß sie anders war als die Millionen Frauen auf der Welt. Aber an diesem Abend hatte er seinen Irrtum einsehen müssen.
Also gut, sagte er sich, als er mit großen Schritten etwas abseits von den Reitern und Pferdewagen auf der Brücke hin und her ging. Soll sie doch allein leben. Wir werden ja sehen, wie sie das findet. Frauen denken, es ist leicht, sich wie ein Mann durchzusetzen. Wir werden ja sehen, wie es ihr gefällt, ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und beten zu müssen, daß Geld ins Haus kommt und nicht irgendein Unglück geschieht. Ich brauche sie jedenfalls nicht. Frank war sich sicher, er brauchte keine Frau. Es war ihm jetzt noch peinlich, daß er sie damals im Hafen gesucht hatte. Er mußte verrückt gewesen sein. Und doch war er sieben Jahre mit ihr zusammengeblieben – noch dazu mit einer Frau, die älter war als er! Es war weiß Gott gut, daß er Lucinda gefunden hatte. Sie war gerade zur rechten Zeit gekommen, damit ihm endlich einmal richtig die Augen aufgingen. Er brauchte Ivy nicht mehr. Er hatte sie nie wirklich gebraucht. Er war sein eigener Herr und fühlte sich bei seinen Freunden im Pub sehr viel glücklicher als in der langweiligen Gesellschaft einer Frau.
Der Lohn für geleistete Dienste!
Wie konnte sie es wagen, ihm so etwas zu sagen! Er hätte jede Frau in der Stadt haben können. Aber er war bei Ivy geblieben. Und das war eine bequeme Gewohnheit geworden, so bequem wie ausgetretene Hausschuhe.
Damit war jetzt Schluß. Seinetwegen konnte sie mit ihren albernen kolorierten Fotografien ruhig eigene Wege gehen und sich einbilden, etwas Besseres zu sein, als sie in Wirklichkeit war. Frank brauchte die Wohnung in der Elizabeth Street nicht. Es war Zeit, sie loszuwerden, und es war Zeit für eine andere Frau. Lucinda war jung und frisch. Er würde aus ihr die Frau machen, die er wollte. Und dann gehörte sein Leben wieder ihm.
Auf dem Rückweg zum Wagen blieb Frank stehen und betrachtete mit bösen Blicken die Lichter der Stadt.
Es gefiel ihm nicht, die Sache so auf sich beruhen zu lassen. Wenn
er
die Beziehung beendet hätte, wäre er leichten Herzens zu den Carmichaels gegangen. Aber so hatte Ivy ihm den Laufpaß gegeben und diese Beleidigung mit ihrer unverschämten Äußerung noch schlimmer gemacht. Sie hatte sein großzügiges Geschenk abschätzig als Bezahlung für geleistete Dienste bezeichnet.
Ivy hatte das letzte Wort gehabt, das letzte, beleidigende Wort. Das konnte Frank nicht auf sich sitzen lassen. Er war noch nicht fertig mit ihr, noch nicht! So, wie er sich jetzt fühlte, konnte er nicht zu den Carmichaels gehen. Er hatte ein Recht auf das letzte Wort.
Und genau das würde er haben. Er würde ein letztes Mal in die Elizabeth Street zurückgehen und Ivy sagen, was er dachte. Ivy würde nicht einfach davonkommen, indem sie hochmütig sagte: »Damit trennen sich unsere Wege.« Er würde es nicht schmerzlos für sie machen. Sie würde leiden. Jawohl leiden! Er würde zurückgehen und darauf bestehen, daß sie ihn einließ. Dann würde er ihr sagen, was er von ihr hielt, und ihr ankündigen, daß sie die Wohnung am nächsten Tag räumen mußte und daß es keinen Aufschub gab.
6
Frank hämmerte aufgebracht gegen die Tür, und als sie aufging, stand Ivy umrahmt vom flackernden Feuerschein vor ihm. Tränen liefen ihr über die Wangen, und die Augen waren
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