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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Merinda? Und wer sagt das?«
    »Ich. Merinda gehört einmal mir.«
    »Das glaube ich nicht, kleines Fräulein. Die Farm wird an deinen Bruder Adam gehen.«
    Lisa blickte zu ihm auf. »Warum?«
    »Weil er ein Junge ist, darum. Die Jungen erben alles. Mädchen erben überhaupt nichts.«
    »Das glaub ich dir nicht.«
    »Na ja«, er tätschelte ihr den Kopf, »eines Tages wirst du es erleben. Und dann wirst du nichts dagegen haben zu heiraten, anstatt Schafe zu scheren!«
    Stinky Lazarus ging mit seinen O-Beinen und dem vom jahrelangen Scheren gebeugten Rücken davon, und Lisa stellte fest, daß ihr überwältigendes Glücksgefühl sich plötzlich in große Enttäuschung verwandelte. Das ist nicht gerecht, dachte sie empört. Immer sagte man ihr, sie könnte das nicht tun, was sie tun wollte – etwa bei der Landwirtschaftsausstellung in den Pferchen arbeiten. Nur Jungen und Männer durften das. Mädchen und Frauen mußten kochen und trugen das Essen auf.
    Lisa wußte, Adam hatte kein Interesse an Merinda oder zumindest nicht ihre Art Interesse. Ihm waren seine Schulbücher mit den vielen Bildern von Fossilien und Insekten wichtiger. Nicht er, sondern Lisa ritt manchmal mit ihrem Vater hinaus. Während der Dürre war es einmal so heiß und trocken gewesen, daß das Gras nicht ausreichte. Deshalb mußten sie die Schafe füttern. Lisa war im Wagen mitgefahren und hatte zugesehen, wie die Männer den hungrigen Schafen Körner und Heu vorwarfen. Sie begleitete ihren Vater, wenn er die Tröge am Fluß mit Steinsalz füllte, sie half ihm, wenn er das Einbringen neuer Bohrlöcher beaufsichtigte, und sie sah zu, wenn die Zäune ausgebessert wurden. Lisa hörte aufmerksam zu, wenn die Männer von der Dürre redeten und darüber, wie weit sie die Schafe zum Tränken treiben mußten, und sie sang mit, wenn Stinky Lazarus Banjo spielte und die Männer sangen: »Wir kampierten beim Faulen Harry, an der Straße nach Gundagai …«
    »Und ich
werde
Scherer«, sagte sie leise und verließ die Wollkammer. Knopf trottete geduldig hinter ihr her.
    Lisa lief über den Hof und am Haus vorbei zum Weg, der hinunter zum Fluß führte.
    Sie machte einen Bogen um das neue Haus, das leer und beinahe fertig war, und wanderte ziellos zwischen den Eukalyptusbäumen und Pappeln umher, warf Kiesel ins Gebüsch oder zog einen Stock durch den Staub. Plötzlich blieb Knopf stehen und stieß ein langes tiefes Knurren hervor. Lisa sah sich um. Sie hörte, daß sich etwas näherte. »Was ist los, Knopf?« fragte sie.
    Der Hund streckte die Nase in die Luft und schnupperte. Im nächsten Augenblick wedelte er mit dem Schwanz.
    »Ach, guten Tag«, sagte Lisa, als sie sah, daß der alte Ezekial zwischen den Bäumen auftauchte. Auch der Fährtensucher war zur Zeit ein vertrauter Anblick auf den Farmen. Die Dürre zwang viele umherziehende Männer – Weiße und Schwarze –, sich in Flußnähe aufzuhalten. Ein paar Meilen weiter flußaufwärts war ein Lager entstanden, eine Ansammlung von Zelten und Hütten. Sie gehörten Männern, die während der Schur als Tagelöhner arbeiteten. In einem anderen Lager mehrere Meilen flußabwärts lebten Ureinwohner wie Ezekial, die normalerweise ein weites Gebiet durchstreiften. Aber die Wasserknappheit beschränkte sie in ihrer Bewegungsfreiheit.
    »Du gehst heute spazieren, kleines Mädchen?« fragte Ezekial.
    Lisa kickte einen Stein und sah ihm nach, als er davonrollte. »Sie lassen mich nicht Scherer werden«, sagte sie ärgerlich.
    »Die Weißen haben komische Vorstellungen.« Er setzte sich auf einen großen Stein und griff in die Tasche seiner Hose, die ihm viel zu groß war. »Ein Schwarzer, der läßt die Frauen arbeiten. Die Männer sitzen im Schatten, die Frauen arbeiten.«
    Lisa warf ihm einen vorsichtigen Blick zu, und als sie sah, daß er grinste, lächelte sie. »Was hast du da, Ezekial?« fragte sie, als er etwas aus der Tasche zog.
    »Ich führe Mr. MacGregor und andere Weiße in die Berge. Sie gehen auf Känguruhjagd. Da gibt es jede Menge zu essen. Ezekial nimmt sich manchmal mehr, als er essen kann.« Er hielt ihr etwas entgegen, Lisa bekam große Augen und rief: »Oh, das ist ja Schokolade! Vielen Dank, Ezekial. Darf ich Knopf auch etwas geben?«
    »Gib ihm ruhig etwas«, sagte der alte Mann und streichelte Knopf den Kopf. »Das ist ein guter Hund. Manche Hunde sind nicht so gut. Aber
der
Hund …« Er sprach plötzlich nicht weiter.
    Lisa brach vorsichtig ein kleines Stück Schokolade ab und gab es

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