Traumzeit
erwiesenermaßen zu heiß und zu trocken für Schafe sind. Man hat es versucht, aber bis jetzt ohne jeden Erfolg.«
Hugh erwiderte: »Ich werde Erfolg haben.«
»Ihr Queensländer seid wirklich eigensinnig.«
Hugh lächelte. »Wer ein Queensländer ist, weiß, wie man überlebt.«
John sah Frank prüfend von der Seite an und sagte: »Sie sind heute so schweigsam, Downs. Das sieht Ihnen überhaupt nicht ähnlich.«
»Mir gehen nur ein paar Dinge durch den Kopf, John.«
Frank wollte ursprünglich Ivy Dearborn zu dem Fest einladen, aber Pauline hatte sich entschieden dagegen gewehrt. Ivy lehnte seine Einladungen immer noch ab. Das verwirrte ihn sehr, denn sie hatte im Finnegans Pub sein Bild an die Wand gehängt. Er machte ihr keinen Vorwurf, weil sie ihren Ruf wahren wollte. Frank vermutete, daß Ivy viel daran lag, als ehrbare Frau behandelt zu werden und nicht wie eine Bardame. Was wäre demnach harmloser und ehrbarer gewesen als ein Kinderfest für einen kleinen Jungen? Aber Pauline hatte energisch dagegen Einspruch erhoben. Hätte er darauf bestanden, Ivy einzuladen, hätte Pauline sie als unerwünschten Gast behandelt, und seine Chancen bei Ivy wären möglicherweise auf den Nullpunkt gesunken. Aber er wollte nicht aufgeben. Je mehr Einladungen sie ablehnte, desto attraktiver wurde Ivy Dearborn für ihn. Frank hatte inzwischen seinen ersten Eindruck von ihr revidiert. Für ihn war sie nicht mehr unscheinbar und wenig bemerkenswert. Bei seinen Besuchen im Pub stellte Frank fest, daß von Ivy eine subtile Faszination ausging. Da sie sich nicht verführen ließ, wurde sie immer begehrenswerter. Jetzt stand Weihnachten bevor, und Frank rechnete damit, daß ihm das richtige Geschenk endlich ein ungestörtes Zusammensein mit ihr einbringen werde.
John Reed fuhr fort: »Übrigens Hugh, ich habe Sie vorhin mit Ezekial sprechen sehen. Sie schienen nicht gerade zufrieden. Was führt der alte Teufel denn im Schild?«
Hugh blickte in sein Glas und antwortete: »Ach, es geht um die Schafe, John.«
»Ich meine, du solltest wissen, was ich von meinen Farmarbeitern gehört habe«, sagte Frank. »Sie behaupten, Ezekial verbreitet überall, daß Merinda schlechte Zeiten bevorstehen. Was sagst du dazu?«
»Was soll ich dazu sagen«, erwiderte Hugh und warf einen Blick auf Joanna. »Ich hatte das Pech, daß die Läuse kurz vor dem Scheren meine Schafe befallen haben. Ich glaube, daß es darum geht.«
»Oh, Miss Drury«, sagte Frank zu Joanna, »ich hoffe, Sie erinnern sich an mich. Wir haben uns schon einmal in Melbourne gesehen. Was haben Sie über die Urkunde in Erfahrung bringen können?«
»Natürlich erinnere ich mich an Sie, Mr. Downs«, sagte sie und berichtete von ihrem Besuch bei Hughs Anwalt in Cameron Town.
»Ja, er hat recht«, sagte Frank, »solange Sie nicht wissen, in welcher Kolonie die Urkunde ausgestellt wurde, ist sie leider wertlos.«
Joanna dachte an die kodierten Aufzeichnungen ihres Großvaters. Vermutlich enthielten sie den Schlüssel zu dem, was sie wissen mußte. Das Buch, das Hugh für sie gekauft hatte – ›Kodes, Geheimschriften und Rätsel‹ –, half ihr nicht weiter. Welche Kodierung ihr Großvater auch benutzt haben mochte, sie war jedenfalls nicht allgemein bekannt.
»Mal sehen, was ich für Sie tun kann«, sagte Frank und zog ein kleines Notizbuch aus der Jackentasche. »Jeder wird Ihnen bestätigen, daß ich eine Schwäche für Geheimnisse habe. Wenn Sie mir erlauben, werde ich über Ihren Fall in meiner Zeitung berichten. Vielleicht liest es jemand und …«
Joanna sah, wie er sich Notizen in seltsamen Linien und Zeichen machte. »Was schreiben Sie da, Mr. Downs?«
»Das ist Stenographie. Ich verlange von allen meinen Leuten, daß sie es können.«
»Stenographie?«
»Ja, manche sagen auch Kurzschrift dazu. Man benutzt bestimmte Zeichen und Abkürzungen, um sehr schnell zu schreiben. Es gibt verschiedene Arten von Kurzschrift. Dieses System hat ein Mann namens Pitman im Jahre 1837 erfunden. Wie Sie sehen, ist es sehr praktisch. Ein Reporter kann im Handumdrehen eine ganze Geschichte niederschreiben. Übrigens, Martin Luther hat alle seine Predigten in Stenographie geschrieben. Wußten Sie das?«
»Sie gestatten?« fragte Joanna, und Frank reichte ihr sein Notizbuch. Sie schrieb einige der Symbole hinein, die sie inzwischen so gut kannte, über die aber selbst das umfangreiche ›Kodes, Geheimschriften und Rätsel‹ keine Auskunft geben konnte. »Mr. Downs, kennen Sie
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