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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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geschrieben, die sie Lathrop im Laufe der vergangenen Monate schickte. Sie hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, daß dieser Mann noch lebte, und daß einer ihrer Briefe ihn erreichen würde. Die Briefe kamen auch nie zurück. Und nun hatte er endlich geantwortet.
    Sie fuhr mit dem Wagen auf den Hof und sah sich erwartungsvoll um. Adam half Matthew im Stall. Er war jetzt sechs und wollte unbedingt bei allem, was auf der Farm geschah, dabeisein. Als Joanna weder Hugh noch Sarah sah, ging sie in das Rindenhaus.
    Immer wieder hatte es im vergangenen Jahr unerwartete Gründe gegeben, den Bau eines neuen Hauses unten am Fluß zu verschieben. Deshalb wohnten sie noch in dem Rindenhaus. Aber Hugh hatte Zimmer angebaut, um es wohnlicher zu machen. Die Wände waren verputzt worden, und sie hatten Möbel gekauft. Joanna wollte so schnell wie möglich mit ihrer Familie von dem Schmutz, den Fliegen und dem Gestank auf dem Hof weg und hinunter an den Fluß mit seiner sauberen, frischen und gesunden Luft ziehen. Der Umzug sollte bald stattfinden. Hugh hatte seine zehntausend Schafe inspiziert und erklärt, im nächsten November müßten sie ihren besten Wollertrag und eine große Lanolinproduktion haben. Dann wollten sie ein schönes neues Haus unten am Fluß bauen.
    Joanna stellte den Korb ab und nahm das Buch heraus. Sie las den Untertitel: ›Der wahre und ausführliche Bericht eines Weißen über seinen Aufenthalt bei den Wilden von Australien.‹ Bei dem Gedanken, was in diesem Buch berichtet werden mochte, zitterte sie. Vielleicht erwähnte der Autor den roten Berg, der in den Träumen ihrer Mutter immer wieder auftauchte. Vielleicht beschrieb er auch das Ritual der Anbetung der Regenbogenschlange oder erklärte die Gift-Gesänge und nannte die genauen Gründe dafür, weshalb sie gesungen wurden. Joanna glaubte inzwischen, daß entweder ihr Großvater oder ihre Großmutter oder auch beide gegen ein Tabu verstoßen hatten, und daß sie deshalb bestraft worden waren.
    Sie schob Lathrops Brief in ihre Rocktasche und ging hinaus, um Adam zu rufen. Danach wollte sie sich auf die Suche nach Hugh machen.
    3
    Der Mann hob den Kopf und sah das Mädchen, halb im Schatten, halb im Sonnenlicht. Sie war braun, stumm und stand so still wie die Bäume um sie herum.
    »Guten Tag«, meinte er lächelnd, aber Sarah blickte ihn nur schweigend an.
    Er stand auf und klopfte sich den Staub vom Knie. »Das ist ein schöner Platz«, sagte er, »wohnst du hier?«
    Sarah musterte ihn, ohne zu antworten.
    »Hast du diesen Garten angelegt?« fragte er.
    Inmitten der einheimischen Gewächse am See – kriechender, gelber Hahnenfuß, blaue Glockenblumen, Casuarinen und Baumfarne – hatten Joanna und Sarah exotische Pflanzen gesetzt: Dill, Cayenne und Rosmarin, die nach Joannas Aussagen Heilkräfte besaßen. Etwas weiter oben am Fluß, wo ein kleiner Wasserfall inmitten von sonnenerhitzten Steinen für die notwendige Feuchtigkeit sorgte, pflanzten sie auch den seltenen Ingwer an. Der Ingwer stand nicht weit von den heiligen Felsen entfernt, und Sarah konnte den betäubenden Duft der späten Blüten riechen.
    Sie sah, daß der Mann ein schönes Armband aus schwerem Silber mit Türkisen trug. Sie hatte noch nie einen Mann gesehen, der Schmuck trug.
    Er ging in die Hocke und betrachtete eine Pflanze. »Gelbwurz«, murmelte er, »die Indianer in Amerika heilen damit Magenbeschwerden.« Er blickte über die Beete. »Das sieht nach einem Garten mit Heilkräutern aus. Bist du eine Medizinfrau?«
    Sarahs Blick schweifte über seinen Kopf hinweg, und er drehte sich um und blickte in Richtung der Farm. »Der Besitzer des Gartens wohnt dort?« fragte er und lächelte. »Jetzt weiß ich zumindest, daß du verstehst, was ich sage.« Dann fügte er hinzu: »Ich heiße Philip McNeal« und streckte die Hand aus, aber Sarah rührte sich nicht von der Stelle.
    Er sah ihre tiefliegenden Augen, die langen, rötlichbraunen, seidigen Haare, die nackten Füße und das Kleid, das ganz bestimmt einer anderen Frau gehört hatte und abgeändert worden war, damit es ihr paßte. Sie schien sich nicht vor ihm zu fürchten. Sie wirkte auch nicht scheu, aber irgendwie mißtrauisch und wachsam. Eine Wilde, dachte er, die offenbar jemand zu zähmen versucht.
    Als er einen Schritt auf die moosbedeckte Felsplatte zumachte, richtete Sarah sich alarmiert auf.
    »Du möchtest wohl nicht, daß ich dorthin gehe?« fragte er. »Das ist sicher ein heiliger Ort, nicht wahr? Ich weiß wenig

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