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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Deshalb darf niemand außer Angehörigen der Känguruh-Sippe hier sein.«
    »Die Aborigines sind noch sehr mit dem geistigen Wesen der Natur verbunden«, erwiderte McNeal mit einem bewundernden Blick auf die schweigende Sarah.
    Dann deutete er auf die Lichtung und die alten Eukalyptusbäume, deren Blätter sich im schimmernden Wasser spiegelten. »Ihr Mann hat mir gesagt, daß er das Haus hier bauen möchte. Was würde geschehen, wenn ich das tue?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Würde es Schwierigkeiten geben? Ich meine, kämpfen die Aborigines, wenn ihre heiligen Stätten entweiht werden?«
    Joanna mußte daran denken, was Farrel, der Kartograph, gesagt hatte: ›Der Name Karra Karra kann schon vor vielen Jahren geändert worden sein. Heute heißt der Platz vielleicht Johnson’s Creek oder New Dover. Sie können dort sein und werden nicht erfahren, daß es der Ort ist, den Sie suchen.‹
    »Wie man mir erzählt, haben sie sich gewehrt«, erwiderte Joanna, »aber das ist schon viele Jahre her. Die Ureinwohner waren den Waffen und Pferden der Europäer unterlegen.«
    »Dort, wo ich herkomme, finden jetzt noch Kämpfe statt. Stämme wie die Sioux, die Navajos und die Apachen kämpften gegen die Soldaten der Weißen. Sie kämpfen um ihr Land. Es kommt zu blutigen Schlachten mit großen Verlusten auf beiden Seiten.«
    »Ja«, sagte Joanna, »wir haben davon gehört.«
    Mcneal blickte auf Sarah und dann zu Joanna. »Was würde nach Meinung der Aborigines geschehen, wenn wir hier ein Haus bauen?«
    »Diese Stelle liegt offenbar einem Traumpfad. Und die Aborigines glauben, wenn man sie ändert, dann ändert man die Schöpfung. Wenn man einen heiligen Platz entweiht, verletzt man ein Tabu. Die erschaffene Welt zerfällt dadurch und ist nicht mehr vorhanden. Man vernichtet damit die Welt.«
    »Die Welt vernichten …«, wiederholte McNeal und dachte an seinen Abschied von Blütenstaub im Wind und ihrem Stamm. An diesem Tag hatte er gewußt, er würde sie und ihre Welt nie wiedersehen.
    »Tritt der Fluß hin und wieder über die Ufer, Mrs. Westbrook?« fragte er und überlegte, ob er nicht einen anderen Bauplatz finden könnte.
    »Ich weiß nicht. Wir müssen meinen Mann fragen. Ich bin erst seit eineinhalb Jahren in Australien.«
    »Darf ich fragen, weshalb Sie hierhergekommen sind? sagte er und überlegte, welche Beziehung zwischen dieser erstaunlichen jungen Frau, dem Kind und dem halbwilden Mädchen bestehen mochte.«
    »Meine Mutter ist vor zwei Jahren gestorben«, erwiderte Joanna, »in Indien. Sie starb an einem rätselhaften Leiden.« Joanna schwieg und dachte an den Gift-Gesang. »Sie glaubte, dieses Leiden werde auch mich nicht verschonen. Ich bin hierhergekommen, um die Ursache zu ergründen und um Heilung zu finden.«
    »Haben Sie deshalb diesen Garten mit Heilpflanzen angelegt?«
    »Diese Kräuter heilen den Körper, Mr. McNeal. Die Heilung, die ich suche, ist leider schwieriger. Zum Teil hat es etwas mit einem Ort zu tun.«
    »Ein Ort?«
    »Er heißt Karra Karra – zumindest glaube ich das. Meine Mutter war der Ansicht, dieser Ort sei der Schlüssel für alles. Aber ich habe ihn noch nicht gefunden.«
    »Ist es ein heiliger Ort?«
    »Das weiß ich nicht. Möglicherweise schon.«
    »Warum ist es so schwer, ihn zu finden?«
    Joanna dachte an den Mann, den sie im vergangenen Jahr in Melbourne kennengelernt hatte, einen Wissenschaftler aus England. Er studierte die Aborigines seit fünf Jahren. ›Wenn Karra Karra ein heiliger Ort ist‹, hatte er erklärt, ›dann werden Sie ihn vielleicht nie finden. Ich weiß inzwischen, daß es für die Aborigines tabu ist, in Gegenwart von Weißen einen heiligen Ort auch nur zu erwähnen. Sie könnten einem Ureinwohner begegnen, der weiß, wo Karra Karra liegt, aber er würde es Ihnen nicht verraten.‹
    Philip McNeal meinte nachdenklich: »Vielleicht ist Karra Karra kein wirklicher Ort, Mrs. Westbrook. Vielleicht ist es ein Bewußtseinszustand oder eine Philosophie.«
    »Was ist das?« fragte Adam und deutete auf den silbernen Armreif.
    »Adam«, ermahnte ihn Joanna.
    »Lassen Sie ihn nur«, sagte McNeal. »Hier, Adam.« Er gab ihm den Armreif.
    Joanna sah Ezekial auf der anderen Seite des Flusses. Inzwischen beunruhigte es sie nicht mehr, wenn der alte Mann plötzlich auftauchte, unbeweglich dastand, sie ansah, und dann ebenso unvermittelt wieder verschwand. Seit jenem Tag am Fluß hatte er nicht mehr mit ihr gesprochen. Aber sie wußte von Sarah, Ezekial erhob keine

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