Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
Vom Netzwerk:
man, epiliert, und ein so ganz und gar von Haaren entblößtes zartes weibliches Organ sei von unmenschlicher Schönheit, halb Baby, halb Madonna. Und die Titten, Pardon, der Busen – brombeerfarbene Brustwarzen im Kaliber 9 mm –
    Jetzt, sagte Spoerri, geht er ins Detail, assez! Michel.
    Wie war’s mit Liz Taylor, fragte ich, eine schöne amerikanische Frau …?
    Nicht so herrlich, sagte Prussac, wie mit Laura Antonelli.
    Schade, sagte ich.
    Es war ein Fest der Liebe und – hier stockte Prussac, sah an die Decke und schwieg. Unser Doc flößte ihm einen Cognac ein.
    Wo war ich, fragte Prussac, ah bien – ich merkte schon als Kind, dass mich die Frauen lieben. Mein erstes Abenteuer spielte sich malerisch in der Provinz ab, … sie hieß Emma, Emma Bovary, und war mit einem Landarzt verheiratet, einem öden Typ, und wir ritten zum Spiel der Liebe immer in einen Wald. Sie hatte kleine Brüste und da unten einen lichten Wald, in dem unsere Pferde weideten, Zügel an Zügel.
    Das ist, sagte Spoerri leise, die konfabulative Phase, in der er die Königin von Saba besteigt. Assez, mon ami, auf zur Fastenkur.
    Muss vorher auf die Toilette, sagte Prussac. Bonne nuit.
    Was für ein Mann, sagte ich, was für ein Kavalier, was für eine Existenz, was für eine Erfolgsquote … und er hatte alle diese phantastischen Frauen.
    Haben, als hätte man nicht , sagte Spoerri zerstreut; mir kam seine Bemerkung etwas zweideutig vor.
    Einige Fragen hatte ich noch zu diesem interessanten alten Burschen.
    Ob er innerhalb dieser Perseveration die Elemente seiner Eroberungen wechselte, fragte ich, ob sie Modifikationen unterworfen werde.
    Selten, sagte Spoerri, er erobert eigentlich immer die gleichen Damen, denen bleibt er treu und gestattet sich keine Abweichung.
    Kommen neue Frauen in seinen Harem, fragte ich.
    Früher, sagte Spoerri, ist aber schon viele Jahre her, ließ er einige der Schönen aus Liebeskummer über die Klinge springen; aber diese Idee ließ er fallen, weil sie ihm Migräne machte; erzählt er jetzt seine Geschichte ohne die Suizide, ist er beschwerdefrei. Kurz, er therapiert sich selbst durch die Wiederholung seiner maßlosen Erfolge …
    Glauben Sie ihm, fragte ich.
    Das sei doch belanglos, sagte Spoerri, ob sie objektiv wahr seien. Was ist schon Wahrheit auf dem Feld der Erotik, lieber Herr Singram, da wird gepfropft und gepfropft wie in der Literatur auch, wie mein Landsmann Ramuz einmal schrieb.
    Mit welchen Lieferungen Prussacs Gedächtnis noch aufwarten könne?
    Schwer zu sagen, erwiderte der Doc; vor drei Jahren belästigte er meine Assistentin Heidi Glock während der Lichttherapie mit obszönen Angeboten und simulierte auch hin und wieder eine angeblich schmerzhafte Erektion unter den violett gestickten Initialen M.P. Das Heidi ging natürlich nicht auf diese Angebote ein. Nebenbei gesagt – es wäre auch vergeblich. Michel leidet seit Jahren unter der erektilen Dysfunktion, da helfen keine Lichtbäder. Meine kleine Glock, die mir zur Hand geht und mehr als das, sieht übrigens tatsächlich aus wie das herrliche Heidi aus unserem wahrscheinlich besten Schweizer Roman von der Johanna Spyri. Wissen Sie, ich les das Werklein alle sechs Jahre, und es erhebt, stärkt und stählt alle Kräfte der Resistenz, die man als Therapeut nun einmal bei einem so vielfältigen Patienten-Material braucht, ach ja, was nicht alles im Strom schwimme, Sozialphobien, Nudelallergien, larvierte Depressionen, Adipositas, Bulimie, Reizdarmsyndrome oder ganz allgemeine Grenzdebilität … ich sage immer: Der potenzielle Patient ist im Durchschnitt so blöde wie seine Syndrome – von ernsthaften Krankheiten einmal abgesehen, aber gegen die haben wir ja die Lichtbäder … – ich könnte Ihnen Geschichten erzählen … Warum wollten Sie mich eigentlich sprechen?
    Alte Probleme, sagte ich, das Versagen der alten Synapsen, matte Neurotransmitter, Trauer der Zellen und immer kalte Füße und kalte Gehirnhaut; die alten Leiden.
    Sie sind kerngesund, sagte Spoerri, aber freilich … dennoch. Hier. Und er überreichte mir ein Sixpack Filmtabletten, die so schön gelb schimmerten wie mein heiliges Pantozol.
    Nehmen Sie diese Tabletten, sagte Spoerri, sie sind eine geglückte pharmakologische Komposition meines Kollegen Blondel aus Montreux und helfen gegen Depressionen, mentale Ausfälle, prophylaktisch auch gegen Prädemenz, fluten die Glia-Zellen, erotisieren die Zirbeldrüse – das schrieb jedenfalls Blondel in einem vielleicht etwas

Weitere Kostenlose Bücher