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Traveblut

Traveblut

Titel: Traveblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Schlennstedt
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Weichert mit dem Foto konfrontieren. Aber erst einmal wollte er ins Präsidium, um den Brief zu besorgen, von dem Eva Matthis gesprochen hatte.

19

    »Hallo, Birger. Ida-Marie hier. Gut, dass ich dich erreiche.«
    »Hallo«, sagte Andresen, noch immer unterkühlt.
    »Martin ist heute gefahren, sodass ich jetzt wieder Zeit für andere Dinge habe. Wie sieht es denn bei dir aus? Wollen wir was trinken gehen? Dann können wir auch noch über die Ermittlungen sprechen.«
    Wollte sie ihn eigentlich verarschen, oder was sollte das Theater? Kaum war der eine weg, sollte er wieder herhalten.
    »Tut mir leid, diese Woche nicht. Bin zu müde.« Andresen wollte sich bereits verabschieden, als Ida-Marie noch einmal ansetzte.
    »Schade, aber da kann man wohl nichts machen. Ich hatte mich darauf gefreut, etwas mit dir zu unternehmen. Schließlich ist es dann doch etwas anderes, ob ich mit meinem Bruder ins Kino gehe oder mit dir.«
    Bruder? Martin? Ganz langsam verstand er. Er hatte sich lächerlich gemacht. Wie ein pubertierender Jugendlicher, der unglücklich verliebt war. Statt sie einfach zu fragen, wer der Mann war. Er hätte noch am selben Abend auf die beiden zugehen und alle Missverständnisse aus der Welt räumen können. Stattdessen hatte er sich, feige wie er war, zurückgezogen und in seiner Unsicherheit falsche Schlüsse gezogen.
    »Da habe ich wohl einiges missverstanden, was?«
    »Allerdings.«
    »Tut mir leid.«
    »Schon gut«, sagte Ida-Marie. »Also, wie sieht's jetzt mit heute Abend aus?«
    »Ich glaube, ich bin nicht in der richtigen Stimmung. Ein andermal, okay?«
    »Wie du meinst«, antwortete sie enttäuscht. »Wenn du es dir doch noch anders überlegst, melde dich einfach.«
    »Mach ich.« Andresen legte auf und atmete tief durch. Endlich war er standhaft geblieben und hatte sich nicht von ihr um den Finger wickeln lassen.
    Er trottete in die Küche, wo er eine Dose Ravioli öffnete und in einen Kochtopf füllte. Er aß am Küchentisch. Vor dem Fenster gingen Passanten entlang. Manche kamen vom Einkaufen nach Hause, manche von der Arbeit, andere machten einen Spaziergang oder waren auf dem Weg ins Kino. Und unter ihnen womöglich ein Verrückter, der bereits zwei Frauen umgebracht hatte. Niemand wusste, wie viele noch folgen würden.
    Eben ging der Bürgermeister vorbei. Andresen erkannte ihn an seiner unverwechselbaren Art, sich zu bewegen. Ein staksiger, schreitender Gang, über den sich manche Leute lustig machten.
    Während er dasaß und aus dem Fenster blickte, musste er an Ida-Marie denken. Die Gedanken an seine Kollegin machten ihn wahnsinnig. Er wollte endlich Gewissheit haben. Gewissheit darüber, was sie miteinander verband. Er merkte, dass er sich erst einmal selbst darüber klar werden musste, was er wollte. Liebte er Wiebke und wollte er in Kürze mit ihr zusammenziehen? Und was empfand er für Ida-Marie? Er griff zum Telefon und wählte kurzerhand ihre Nummer.
    »Ja?«
    »Ich hab's mir anders überlegt«, sagte Andresen. »Gehen wir etwas trinken?«
    »Gern.«
    Gegen neun verließ er das Haus, ging die Große Gröpelgrube hoch und die Königstraße entlang, bis er in die Glockengießerstraße einbog. Ida-Marie wartete im Schatten der Katharinenkirche auf ihn. Im Buthmanns setzten sie sich auf die letzten beiden freien Plätze. Andresen fand, dass das Buthmanns nicht unbedingt der richtige Laden für eine Frau wie Ida-Marie war. Aber außergewöhnliche Situationen erforderten eben außergewöhnliche Maßnahmen. Und somit war das Buthmanns der ideale Ort, um einige Dinge auf den Tisch zu bringen.
    Es dauerte eine Weile, ehe das Gespräch in Gang kam. Die Anspannung, die zwischen ihnen herrschte, verhinderte die Ungezwungenheit, mit der sie sonst miteinander umgingen. Nachdem Andresen ihr von seinen Gesprächen berichtet hatte, bestellten sie zwei weitere Biere und wechselten das Thema. Ida-Marie erzählte von dem Besuch ihres Bruders und den anstrengenden Tagen mit ihm. Andresen saß einfach nur da und hörte ihr zu. Die Blockade löste sich, und er betrachtete sie, wie sie aus ihrem Leben erzählte, ihm in die Augen blickte, ab und zu lächelte und in großen Zügen ihr Bier austrank. Eigentlich hatte er klären wollen, was es denn war, das da augenscheinlich zwischen ihnen heranwuchs und ihn zunehmend verwirrte. Aber er war zu feige und die Stimmung zu vertraut, als dass er sie mit diesem Thema zerstören wollte.
    Um kurz vor zwölf bezahlten sie schließlich und verließen das

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