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Treffpunkt Irgendwo

Titel: Treffpunkt Irgendwo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fuchs
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dem Handy angerufen hätte, sagte sie: »Da war immer nur die Ansage, der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar.«
    »Ganz klar, die wollte kontrollieren, ob du wirklich bei mir bist«, erklärte Mia anschließend.
    »Logisch.«
    »Irgendwie aber auch nachvollziehbar, oder?«
    »Trotzdem hat sie kein Recht, mir hinterherzuspionieren.«
    »Auch wieder wahr.«
    Am Sonntagmorgen habe ich kurz mein Sportzeug geholt, bin zum Ligaspiel gegen Lokomotive Prenzlauer Berg – was wir leider verloren haben, irgendwie war bei uns inzwischen der Wurm im Team, jeder Verein in Berlin spielte neuerdings besser als wir – anschließend wieder zu mir nach Hause und dann in die Stadt.
    Ich habe schon gar nicht mehr damit gerechnet, dass Len mir aufmachen würde, und so war es auch. Die Tür war zu. Dennoch reichte es mir nun. So konnte das nicht weitergehen, warf ich mir innerlich selbst vor. Dazu war ich mir zu schade, und so toll war Len nun auch wieder nicht, dass ich ihm ununterbrochen hinterherlaufen würde. Ich machte mir selbst Mut. Nun war es mal an ihm, auf mich zuzukommen, sich um mich zu bemühen. Mia hatte recht, ich würde ihn nie ändern können, wenn ich immer wieder bei ihm auf der Matte stehen würde.
    Das war es also dann, entschied ich. Entweder meldete er sich nun endlich auch mal bei mir oder die Sache zwischen ihm und mir war Geschichte. Offenbar bedeutete ich Len nicht annähernd so viel wie er mir.
    Len meldete sich nicht und ich ging die nächsten Tage durch die Hölle. Ich dachte ununterbrochen an ihn, war ständig versucht, doch nach Moabit zu fahren, verfluchte ihn, dass er kein Handy hatte, ich nicht wusste, wo er war und was er tat. Es war zum Verrücktwerden.
    Ich hatte erwartet, es würde mit jedem Tag, den ich durchhielt und mich nicht zu ihm aufmachte, besser werden, doch das Gegenteil war der Fall. Ich dachte ununterbrochen an ihn. In der Schule, zu Hause, beim Klavierüben, Sport. Egal was ich tat, in meinen Gedanken war ich bei ihm. Diese Ungewissheit, dieses Nichtwissen war die Hölle.
    Abends im Bett las ich Fahrenheit 451, und wenn ich das tat, dann war Len so nah, und ich spürte, wie ich ihn langsam verstand. Ja, der Riss war da, ging quer durch unser Land, unsere Gesellschaft. Das war alles nur krank, falsch und jeder, der ausstieg, hatte recht. Egoismus und Einsamkeit beherrschten unsere Welt, alles war so schnelllebig geworden, nachdenken kaum noch möglich. Aus dem Kindergarten in die Schule, G8, direkt daran Ausbildung, Studium und ab in die Berufswelt. Keine Möglichkeit mehr, sich selbst kennenzulernen, das Leben zu begreifen, Echtes zu erleben. Es zählte nur noch Leistung, schnell-schnell, tausend oberflächliche Freunde bei Facebook, wenn alles vertwittert wird, geht das Wesentliche unter. Finanzkrise, Politik, nur noch Entscheidungen ohne Alternative, wir wurden verdummt, abgelenkt, beschäftigt, damit wir nicht anfingen, Fragen zu stellen. Daher wurden die besetzten Häuser geräumt, die Punks aus den Innenstädten vertrieben – die Gesellschaft ertrug es nicht, wenn jemand ausstieg, nicht länger mitmachen wollte. Das sah ich ja schon an meinen Eltern und wie sie austickten wegen mir.
    Je klarer mir wurde, wie verlogen das alles war, umso mehr wuchs meine Liebe zu Len. Ja, ich bewunderte ihn inzwischen, dass er so radikale Konsequenzen gezogen hatte. Sein Weg war der richtige. Und doch träumte ich davon, mit ihm in unserer kleinen Wohnung zu sitzen, gemeinsam Mirácoli zu essen, ihm den Iro zu färben, Sex mit ihm zu haben.
    Entgegen aller Vorsätze und Schwüre bin ich am Mittwoch wieder nach Moabit. Die Tür war zu, niemand machte auf. Doch ich wollte es nicht akzeptieren, ich musste Len finden. Ich wollte ihn sehen, ihn spüren, ich brauchte ihn wie die Luft zum Atmen. Da es wärmer geworden war, suchte ich ihn am Alex, fragte alles und jeden, war am Bahnhof Zoo, klapperte unzählige S-Bahn-Stationen ab, nichts. Einige, die ich fragte, kannten Len, sagten mir aber dann immer, dass sie ihn schon länger nicht mehr gesehen hätten. Könne sein, sagte mir ein Punk am Kleistpark, dass Len aus Berlin weg sei.
    Diese Nachricht machte mich völlig fertig. Als ich Mia davon erzählte, warf die mir Besessenheit vor. Ich sei manisch, ich bräuchte Hilfe, wenn ich mich weiter so gehen lassen würde, dann würde ich in der Klapse landen.
    Aber ich konnte nicht essen, ich hatte keinen Hunger, ich achtete nicht mehr auf mich und meinen Körper und es war mir egal, was ich anhatte, das

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