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Treffpunkt Irgendwo

Titel: Treffpunkt Irgendwo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fuchs
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Leben wieder aufzunehmen. Ja, ich hatte sogar richtiggehend Spaß daran. Wenn ich, was nur selten vorkam, an Len dachte, dann mit einem inneren Kopfschütteln, einem ungesagten »Was hast du dumme Nuss dir nur dabei gedacht«. Ich war Jana, ich hatte mein Leben im Griff, plante meine Zukunft und hatte eine schöne Vergangenheit und Gegenwart. Mir ging es gut. Und das tat es auch wirklich. Ich habe stundenlang Klavier gespielt, bin zum Basketball, freute mich aufs Training, freute mich, dass es meine Eltern freute, dass es mir wieder so gut ging. Ich traf mich mit meinen Freundinnen, wir haben zusammen Filmabende gemacht, sind ins Kino oder tanzen gegangen. Selbst mit Louisa kam ich wieder gut klar. Zudem hatte endlich der Frühling begonnen. Dass es draußen blühte und grünte, war für mich wie ein Beleg dafür, dass auch mein innerer Winter endlich vorbei war. Vor mir lag ein toller Sommer, ich würde einfach wieder glücklich sein. Der Riss, den ich mir eingebildet hatte zu sehen, war weg. Die Sonne schien auch so.
    Bis ich eines Nachts wach wurde, weil jemand unter meinem Fenster halb laut meinen Namen rief. Die Stimme würde ich inzwischen immer und überall erkennen, es war Len.
    Ich sprang von meinem Bett auf, öffnete das Fenster weit und rief ins Dunkle: »Len?«
    »Ich muss mit dir reden!«
    »Nein.«
    »Bitte!«
    »Das zwischen uns ist vorbei!«, zischte ich.
    »Das weiß ich. Und, ich wollte nur sagen, es tut mir leid.«
    »Hast du nun und jetzt hau ab!«
    »Bitte, Jana!«
    »Nein!«
    »Aber es ist wichtig. Warte…« Er verstummte und dann hörte ich Geräusche, Gekeuche und begriff, dass Len zu mir heraufkletterte. Links von meinem Fenster führte die Regenrinne hinunter.
    »Geh weg!«
    »Ich muss dich aber sehen«, schnaufte Len. Und dann waren da plötzlich seine Hände am Fensterbrett, sein Iro tauchte auf, schließlich sein Gesicht.
    Ich wollte wirklich das Fenster schließen, ihn ignorieren, die Rollläden herunterlassen, ihm einfach nicht begegnen. Doch da waren seine Augen, diese Grübchen um die Nase, dieses verlegene Lächeln.
    »Hallo, Jana!«, keuchte er. »Du hast mir gefehlt.«
    »Ich werde dich nicht reinlassen!«, flüsterte ich.
    »Verstehe ich, ich möchte nur, dass du mir zuhörst.«
    »Ich will dir nicht zuhören!«
    »Bitte, nur ganz kurz.«
    »Nein.«
    »Wenn du mir jetzt zuhörst, dann werde ich dich nie wieder nerven, versprochen.«
    »Erzähl das wem anders.«
    »Ich will es aber dir erzählen.« Len hatte sich inzwischen hinaufgezogen, saß wackelig auf dem Fensterbrett und hielt sich mit der linken Hand am Fensterrahmen fest.
    »Dann mach, bringen wir es hinter uns, ich will zurück ins Bett.«
    »Okay.« Er nickte schnell. »Also, das war scheiße, es tut mir leid.«
    »War es das?«
    »Nein.« Len sah mich an und in dem Licht, das aus meinem Zimmer in sein Gesicht fiel, konnte ich tief in seine Augen sehen. »Aber es hat mir einiges klargemacht.«
    »Mir auch: dass du ein Arschloch bist.«
    »Das natürlich auch.« Len lächelte verlegen. »Aber das wusste ich schon vorher. Jana, du musst mir glauben, ich wollte das mit uns in dieser Wohnung so wie du.«
    Ich schnaufte verächtlich.
    »Ehrlich, ich habe es versucht. Mit Kochen, mit… mit… mit dir. Und das war auch schön. Aber wenn ich dann alleine war, dann ging das eben nicht. Ich bin einfach kein Steinheimer!«
    »Steinheimer?«, fragte ich irritiert.
    »So nennen die Rollheimer die Leute, die in Steinhäusern leben.«
    »Okay.«
    »Jedenfalls, du hast gesehen, was passiert, wenn ich das versuche. Ich werde zu genau dem, was ich nicht will. Ein total breiter, videoglotzender Idiot. Jana, in einer Wohnung, in abgeschlossenen vier Wänden, da gehe ich vor die Hunde. Da gehe ich kaputt.«
    »Ach komm, du kiffst doch auch sonst.«
    »Ja, aber glaub mir, Jana, es macht einen riesigen Unterschied, ob du dich gleich am Morgen vor der Glotze abplättest oder irgendwo am Abend mit deinen Kumpels im Park.«
    »Und das ist besser, oder was?«
    »Besser oder nicht. So kann ich leben, so gehe ich nicht kaputt. Ja, du hast recht. Für mich ist das besser so.«
    »Und wir?«
    »Du kannst nicht mein Leben leben, ich nicht deines«, flüsterte er. »Das in der Bredowstraße, das hat es mir ein für alle Mal klargemacht. Ich bin kaputt, klar, ich bin schräg, klar, aber ich weiß jetzt, warum ich draußen leben muss. Weil ich Angst vor mir habe. Weil ich weiß, ich kriege das nicht gebacken, ich ende dann so! Glotzen, stoned, ein

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