Treffpunkt Irgendwo
Du fehlst mir auch.«
»Du kümmerst dich um Ella?«
»Versprochen.«
»Ich melde mich wieder. Und Jana, danke!«
Bevor ich darauf reagieren konnte, war das Gespräch beendet.
Ich legte mich auf mein Bett, horchte in mich hinein, überlegte, welche Gefühle momentan in mir waren. Ich fühlte mich merkwürdig leer, zugleich jedoch erleichtert. Es war vorbei und es war irgendwie gut ausgegangen. Vermutlich. Es war, wie wenn man einen Vogel in die Freiheit entließ. Man konnte nicht mehr für ihn tun, hatte ihn verloren, wusste ihn jedoch frei.
Das war die Hauptsache, entschied ich. Was zählte, war nur, dass Len nicht im Gefängnis gelandet war. Dass er frei war.
Und doch fehlte er mir so sehr.
Aber es gab keinen Grund zum Heulen, sagte ich mir und dann stellte ich mir sein Gesicht mit den blauen Augen und den Grübchen vor und wie er sagte: »Ach, was soll’s.« Ich griff zu meinem Handy und reagierte endlich auf die vielen SMS und Anrufe von Mia.
Ich erzählte ihr alles.
Doch zu meiner Überraschung reagierte Mia komplett anders, als von mir erwartet. Sie wurde sauer, warf mir vor, ich hätte sie nicht mehr alle. Ich sei Len hörig. Len sei ein Krimineller, und wenn er von der Polizei gesucht würde, dann hätte ich kein Recht, ihm außer Landes zu helfen. Wenn ich nicht ihre Freundin wäre und sie nicht in der Sache mit der Bredowstraße mit drinstecken täte, dann würde sie jetzt die Polizei anrufen und Len anzeigen. Zudem nahm sie mir übel, dass ich ihr verschwiegen hatte, dass Len und ich heimlich wieder Kontakt hatten. Und dass ich mich nun um Ella kümmern wollte, das nahm sie direkt persönlich!
»Jana, echt. Um die dumme Kuh? Ich fasse es nicht! Aber gut, wenn dir so ein Miststück wichtiger ist als ich, dann bitte. Und das, nachdem ich, nachdem wir alle uns so sehr um dich gekümmert haben. Mensch Jana, anders als Len oder diese Ella waren wir für dich da! Die ganze Zeit. Echt, als Freundin bist du für mich gestorben. Ich kann dir nicht mehr vertrauen. Das war es dann mit uns. Diesmal hast du echt überzogen!«
Ich habe das nicht ernst genommen, dachte, ich würde Mia kennen. Die war offenbar eifersüchtig. Und Ella war für sie sowieso ein rotes Tuch, schon seit ihrem ersten Aufeinandertreffen. Das würde sich wieder legen. Ein, zwei Tage, dann würde zwischen uns wieder alles okay sein.
Dass sie mich am nächsten Tag in der Schule schnitt, machte mir daher nichts aus. Aber als sie dann mit Louisa, Franzi und Kathi zusammenstand, mit denen tuschelte und dabei immer herablassend zu mir herübersah, machte ich mir dann doch etwas Sorgen.
Doch ich schaltete innerlich auf Durchzug und hetzte nach Schulschluss nach Hause, um endlich mein Len gegebenes Versprechen einzulösen. Ich musste Ludger anrufen, den anderen Freund meines Vaters, der Anwalt war. Er musste sich um Ella kümmern.
Ich erreichte ihn in seiner Kanzlei. Sein Kommentar war niederschmetternd.
»Sorry, Jana, da bin ich die falsche Adresse. Deine Freundin braucht einen richtigen Strafverteidiger. Du sagst, sie ist siebzehn?«
»Ja, siebzehn.«
»Dann braucht sie nicht nur einen guten Strafverteidiger, sondern noch dazu einen, der sich mit Jugendstrafrecht auskennt.«
»Aber Ella braucht Hilfe.«
»Die braucht sie wirklich«, seufzte er. »Wenn tatsächlich der Staatsschutz da dran ist wegen Autobrandstiftung, dann ist sie eine arme Socke. Sie aus der Untersuchungshaft rauszuholen, kannst du vergessen. Das hat mein Kollege neulich nicht mal mit den beiden Gymnasiasten aus gutem Haus geschafft. Die waren bis zur Hauptverhandlung im Gefängnis. Und dann Freispruch.«
»Ludger, bitte!«
»Immer die Nerven behalten. Deine Ella hat in jedem Fall Anrecht auf einen Pflichtverteidiger. Aber die, nun ja, lieber wäre mir kein Pflichtverteidiger. Ich werde mich darum kümmern, dass sie einen fähigen Kollegen bekommt. Die Kosten werden in ihrem Fall ganz sicher übernommen.«
»Danke.«
»Mehr kann ich nicht für sie tun. Ich sage dir aber Bescheid, wenn ich was rausbekommen habe.«
»Danke, wirklich vielen Dank.« Ich wollte ihn schon wegdrücken, da fragte er: »Was macht eigentlich dein Typ? Dein Vater hat da was erzählt.«
»Der ist aus Deutschland raus.«
»Kluger Junge, wo auch immer er ist, da soll er mal schön bleiben. Sag ihm das.«
»Das weiß er.«
»Gut.«
Doch gar nichts war gut, wie mir in den folgenden Tagen mehr und mehr bewusst wurde. Ich hatte gedacht, dass ich einfach so mein altes Leben wieder aufnehmen
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