Treffpunkt Scheuermühle
die Knickerbocker-Bande nicht vollständig war, als sie im geräumigen Geländewagen von Frau Trotter nach Hallstatt fuhr.
Schließlich hatten sie das malerische Städtchen erreicht, das langgestreckt auf einem schmalen Streifen Land zwischen dem Hallstätter See und der dahinter steil aufragenden Felswand lag.
„Früher hat man Hallstatt nur über den See erreichen können“, erzählte Tante Clarissa. „Auch heute noch gibt es hier ganz besondere Boote. Sie sehen ein bißchen wie Gondeln aus Venedig aus, heißen aber Zillen! Wollt ihr mit einer Zille fahren? Ein Freund von mir besitzt eine.“
Die drei erinnerten sich an das eiskalte Bad von Axel am Vortag und lehnten dankend ab. Also setzte Tante Clarissa ihren Vortrag fort. „Übrigens ist der Ort sehr alt! Schon vor über 2.500 Jahren haben hier Menschen gelebt und Salz aus dem Berg geholt. Man hat Gräber von damals gefunden und dadurch viel über die Menschen erfahren.“
„Hallstatt sieht aus, als hätten die Leute die Häuser einfach übereinander gebaut!“ stellte Dominik grinsend fest.
„Das wurde auch getan!“ bestätigte Frau Trotter. „Du kannst häufig vom Dachboden des einen Hauses in den Flur des nächsten gelangen. Die Leute mußten so bauen, da es kein Bauland gab. Selbst der Friedhof ist so winzig, daß die Gebeine nach einer Weile ausgegraben und in einem Beinhaus übereinandergestapelt aufbewahrt wurden. Auf diese Art war Platz für neue Gräber geschaffen worden.“
Gemeinsam schlenderten die Knickerbocker mit dem Schuhu durch den romantischen Ort zu einem gelben Haus. Sie traten ein und standen nun in einem langen Flur, an dessen Ende eine dunkle Holztür erkennbar war.
„Dort wohnt er, der Hai“, brummte Tante Clarissa und stapfte mit großen Schritten darauf zu. Sie klopfte an und trat ein. Dominik, Poppi und Lilo folgten ihr.
Zwei Minuten später tobte die sonst so sanfte Dame. „Er ist nicht hier, sondern in seinem Büro in Linz!“ schimpfte sie. „Und er findet es nicht der Mühe wert, mir das mitzuteilen! Von seiner Putzfrau muß ich es erfahren!“ Wutschnaubend riß sie die Tür zum Flur auf und prallte zurück.
Davor stand jemand in gebückter Haltung, als hätte er gerade durch das Schlüsselloch gespäht. Der Unbekannte trug einen schwarzen, ledernen Motorrad-Overall und einen ebenfalls schwarzen Sturzhelm. Das Visier war verspiegelt und verdeckte das gesamte Gesicht.
„Was treiben Sie da?“ fuhr ihn Tante Clarissa an.
Der Motorradfahrer war für eine Sekunde wie gelähmt. Dann ergriff er plötzlich die Flucht. Da in diesem Moment aber die Haustür geöffnet wurde und eine Frau eintrat, mußte er sich nach einem anderen Ausweg umsehen. Gleich neben der Holztür entdeckte er einen schmalen Stiegenaufgang und hetzte hinauf.
Lilo drängte sich an den anderen vorbei und sprang ihm nach. „Wer als Antwort auf eine so harmlose Frage davonrennt, der hat Dreck am Stecken“, lautete ihr Verdacht. Deshalb nahm sie seine Verfolgung auf. Doch der Kerl in Schwarz hatte bereits einen größeren Vorsprung. Lilo hörte, wie der mysteriöse Mann im Lederanzug mit seinen schweren Stiefeln über einen Holzboden lief. Eine Tür schlug zu, und danach herrschte Stille.
Als Lilo im ersten Stock ankam, blickte sie suchend den Gang auf und ab. Drei Türen gab es hier. Durch welche war der Typ nur verschwunden?
Kurz entschlossen marschierte das Mädchen auf die linke Tür zu und riß sie auf. Sie blickte direkt in das Vorzimmer einer muffigen kleinen Wohnung. Vor einem Spiegel stand ein muskulöser Mann im Pyjama und rasierte sich. Bei Lilos Eintreten erschrak er und schnitt sich in die Wange.
„Blöde Göre!“ fluchte er und hob die Hand. Entsetzt schlug das Mädchen die Tür wieder zu und hastete weiter. Bei der nächsten Tür war Lilo vorsichtiger und klopfte an. Nichts rührte sich. Also drückte sie die Schnalle hinunter und stieß die Tür auf.
Sie blickte in ein dunkles Treppenhaus, das wahrscheinlich auf den Dachboden führte. Nachdem sie sich vergewissert hatte, daß die Tür nicht zufallen konnte, stieg sie langsam die steinernen Stufen in die Höhe. Dabei hatte sie den Kopf immer gehoben und war jederzeit auf eine Überraschung gefaßt. Lauerte ihr der Unbekannte oben schon auf? Würde er ihr vielleicht etwas entgegenwerfen? Was erwartete sie?
Doch es tat sich nichts. Schließlich hatte das Mädchen das Ende der Treppe erreicht und verharrte dort regungslos. Rund um Lieselotte herrschte absolute
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