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Treffpunkt Unendlichkeit

Treffpunkt Unendlichkeit

Titel: Treffpunkt Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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über der Maske blieben unbewegt Athlone unterbrach sich und breitete die Hände aus.
    »Schon gut. Sie tun so etwas nicht. Sie haben kein Interesse daran. Aber sagen Sie mir: woher wußte sie es?«
    Knard schaltete den Lautsprecher aus. »Sie sagte noch mehr, aber das werden Sie von ihr selbst hören. Und woher sie es wußte – sehen Sie, Athlone, Sie haben mich nun schon zwanzig Mal gefragt, wie das Rho-Funktions-Wahrnehmungsfeld arbeitet. Ich mußte Ihnen ebenso oft erwidern, daß Sie das nicht verstehen können, wenn Sie keine Ahnung von der damit verbundenen Mathematik haben. Ich habe das Feld bei mindestens einem Dutzend Patienten angewendet. Und selbst jetzt weiß ich nur, daß die Informationen durch die Wirklichkeitsanalogie kommen, die das Wahrnehmungsfeld wiedergibt.«
    »Aber das sind sinnlose Worte!«
    »Meinetwegen!« Der Arzt fuhr sich über die Stirn. »Ich habe es nie selbst erlebt, weil eine normale Wahrnehmungseinspeisung die Daten des Benutzers überlagert. Man muß fast vollständig von der Wirklichkeit abgeschnitten sein, um das Feld benutzen zu können. So kann ich Ihnen nur das sagen, was ich von meinen genesenen Patienten erfahren habe. Weshalb habe ich wohl Ihren Auftrag angenommen, Athlone? Weshalb arbeite ich ausschließlich für Sie? Wegen des Geldes? Ich hätte mit einer halb so großen Anstrengung das Vierfache verdienen können. Nein, einfach deshalb, weil ich das Zusammenwirken von Patient und Wahrnehmungsfeld bis in die letzten Einzelheiten studieren möchte.«
    »Wußten Sie, daß das geschehen würde?« fragte Athlone. »Wußten Sie, daß sie Dinge erfahren kann, ohne dabei zu sein?«
    »Ich erwartete etwas Derartiges«, gab Knard zu. »Aber sie hat jetzt auch viel mehr Erfahrung mit dem Wahrnehmungsfeld als alle meine bisherigen Patienten, und sie muß einfach besser damit umgehen können …«
    Ein schrilles Klingelzeichen ertönte. Der Arzt drehte sich um.
    »Sie wußte, daß Sie kommen würden«, sagte er. »Gehen Sie lieber hinein.«
    In einem anderen Zeitalter hätte Allyn Vage nicht überlebt. Athlone mußte sich das oft vorsagen, wenn Vernunft und Einsicht seine Besessenheit zu durchdringen drohten.
    Er mußte es sich auch jetzt vorsagen.
    Er trat mit gesenktem Kopf näher. Obwohl es im Zimmer fast völlig dunkel war, wollte er seine Blicke nicht auf das Gesicht richten, das keines mehr war.
    Es war schlimmer als Mord, sagte er sich vor. Deshalb muß ich Luis Nevada fangen. In seinem Innern wirbelten immer noch die Informationen, die Knard ihm gegeben hatte.
    Die kratzige, leise Stimme erreichte ihn.
    »Sie dürfen nicht versagt haben«, sagte sie. »Erzählen Sie mir alles.«
    Athlone hörte kaum hin. Er bemühte sich, seine Gedanken zu ordnen, aber sie enthielten so viele Widersprüche. Denke nur an die Tatsachen, sagte er sich vor. Vor ihm, in Konturenkissen und besonderen Stützvorrichtungen, saß Allyn Vage. Der Sitz ging in einen Kasten über, der das Rho-Funktionsfeld enthielt – jenes Feld, vor dem Athlone Angst hatte, weil er es nicht verstand. Die Frau bewegte sich nicht. Sie konnte es nicht. Wenn im Raum Licht gewesen wäre, so hätte ihr Körper feucht geglitzert: ihre Hüften und Brüste, ihr flacher, muskulöser Bauch …
    Athlone unterbrach seine Gedankengänge, weil sie zuviel Verzweiflung enthielten. Niemand sah sie im Licht, außer natürlich Knard, der sie untersuchte. Aber Athlone hatte sie gesehen, zweimal, bevor sie kräftig genug gewesen war, um Befehle zu erteilen; er hatte auch andere Kästen mit Kokons gesehen. Deshalb wußte er über das feuchte Glitzern Bescheid. Aber er hatte noch nie einen schweren Fall gesehen. Knard, der es wissen mußte, hatte gesagt, daß in der Geschichte der Medizin bisher kaum jemand mit solchen Verletzungen überlebt hatte.
    Über dem geisterhaften Körper schien ein Gesicht zu sitzen, das sich nicht rührte. Es war eine Maske, eine Maske mit geschlossenen Augen. Sie ruhte auf einer Kinnstütze, durch die Nährlösungen und Gewebeerneuerungssubstanzen flossen.
    Aber hinter der Maske befand sich ein Gehirn, und das Gehirn war bei dem Unfall nicht verletzt worden. Unfall – so sagte das Gericht. Athlone beharrte darauf, daß es sich um einen brutalen Mordversuch handelte. Allyn Vage mußte es wissen.
    Das Gehirn konnte durch besondere technische Verbindungen einen Sprechkomputer auslösen; die Stimmbänder waren beschädigt worden. Es konnte auch mit nachgebauten Hörorganen Laute aufnehmen. Und es konnte verstehen –

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