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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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Ich versuche, mich in einen blöden alten Knacker zu verwandeln, derweil dort drunten die dreifache Rahja steht! Ich werde hinabgehen und … Fröhlich singend kam ein Bäckergeselle mit einem Brett auf der Schulter, auf dem Kuchen und Brote lagen, die Straße entlang, winkte bisweilen jemandem grüßend zu oder machte eine scherzhafte Bemerkung. Gleich würde sein Weg an den drei Wäscherinnen vorbeiführen. Der Anblick versetzte Scheïjian in Rage. Was grinst der dreiste Kerl so frech? schäumte er. Wenn er es wagt, wenn er es auch nur andeutungsweise wagt, eine der Maiden anzusprechen, werde ich ihm die Zähne einschlagen … Hm, eigentlich hat er es nicht verdient, dieser hübsche Bengel! Ärgerlich zog Scheïjian den Kopf aus der Fensteröffnung. Es mußte an der Mixtur liegen, daß ihm solche Gedanken kamen; offenbar hatte er eine Art Liebestrunk zusammengebraut. Verzweifelt versuchte er, das zerfasernde Astralnetz wieder zusammenzuflicken. Glubschaugen, Liebestrank, graue Haare, pendelte es ihm im Kopf.
    Ihm fiel ein, daß Kuslik auf seinem weiteren Weg lag. Dort gab es zwei Magierakademien, und es wäre wichtig, vorbeizuschauen, um nachzuschlagen, ob man über die rahjaischen Auswirkungen dieser speziellen Mixtur etwas wüßte. Er würde geradewegs zur Akademieleitung gehen und fragen. Mit etwas Glück wäre die Leiterin eine Magistra. Eine knackige Magistra. Er würde zu ihr gehen und sagen: Euer Spektabilität, Eure Haut ist wie der Alabaster von Sinoda, Euer Mund wie der Sonnenaufgang von Boran, Eure Augen sind wie Emeralde, wie zwei Perlen auf dem Gewand der Nacht!
    Schlagartig verflogen die Nebenwirkungen des Trankes, und ein zerstörtes Gesicht mit einem einzelnen tiefblauen Auge drängte sich zwischen sein Bewußtsein und die Auswirkungen des Giftes. Das Bild wirkte so weit ernüchternd, daß es Scheïjian gelang, in den nächsten Stunden den Zauber zu vollenden. Nichtsdestotrotz war er anschließend fest entschlossen, bei erster Gelegenheit sowohl seiner Kumpanin Alryscha als auch der Hexe Pryxla und den beiden ihm unbekannten Leiterinnen der Kusliker Akademien einen ernsthaften Antrag zu machen.
    Er packte seine Habe zusammen, denn in die Herberge würde er nicht mehr zurückkehren können, und warf sich trotz der heißen Witterung einen Umhang mit weiter Kapuze über, da er auf dem Weg zum Kerker durch ein böses Geschick auf einen Bekannten des Offiziers stoßen konnte, dessen Aussehen er jetzt hatte. Beschwingt, bisweilen alberne kleine Melodien summend und noch immer umnebelt von der Verwirrnis des Tranks, begab er sich zum städtischen Kerker. »Im Namen der Krone, was ist Euer Begehr?« verlangte einer der Wächter zu wissen und versperrte ihm mit der Hellebarde den Weg. Der Anblick der herzigen brünetten Gardistin verursachte Scheïjian heftiges Herzklopfen, und mit Mühe verkniff er es sich, ihr sein augenblicklich entstandenes, von dem Gebräu verursachtes Begehr zu enthüllen. Statt dessen lüpfte er den Kapuzenrand weit genug, daß sie sein Gesicht sehen konnte.
    »Man wird einen doch nicht vergessen haben, nur weil man unerwartet erscheint?« äffte er die Sprechweise des Apothekers nach und kicherte.
    Augenblicklich stand die Hellebardistin stocksteif, wagte kaum noch zu atmen, kleine Schweißperlen erschienen auf ihrer Stirn. Der Kerl muß ja ein rechter Tyrann sein! dachte Scheïjian verblüfft und fuhr laut fort: »Nun, will man nicht öffnen, will man einen den ganzen Tag hier stehen lassen, süßes Kullerauge?«
    Die Soldatin riß die Tür auf und stolzierte voran; sie schien genau zu wissen, wohin er wollte. Scheïjian war’s zufrieden, das würde ihm wenigstens die peinliche Frage nach seinem eigenen Amtszimmer ersparen. Klack-klack, hallten die Stiefel der Soldatin durch die Korridore; sie ging steifbeinig wie bei einer Parade, den Spieß über der Schulter, so daß Scheïjian befürchtete, daß es nur eine Frage der Zeit wäre, bis sich die Spitze irgendwo verfing, im schlimmsten Fall in ihm. »Nun mach nicht soviel Aufhebens und laß das Gestänge irgendwo stehen, Holdeste!« befahl er und kniff wollüstig in ihren ach so verlockenden Hintern. Wums! machte die Hellebarde und fiel, begleitet von einem spitzen Aufschrei der Gardistin, auf den Flur. Dennoch ging die Soldatin ohne Zögern weiter, doch wenn ihr Gang zuvor steif wie ein Stock gewesen war, so schien sie jetzt überhaupt keinen festen Knochen mehr im Leibe zu haben und war krampfhaft bemüht, sich in ein

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