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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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Kahlkopf zu bereden hatte. Deshalb wechselte er in die ausgestorbene Sprache des Urtulamidya, die sein früherer Meister bekanntlich sprach. »Wer bin ich?« fragte er.
    »Da Euer Hoheit vermutlich inkognito hier sind, weiß ich es nicht zu sagen«, gab der andere respektvoll zurück.
    »Piß auf die Inkognitos – wer bin ich?«
    Sichtlich entsetzt über die grobe Ausdrucksweise antwortete der Bärtige: »Ihr seid die, die Ihr seid, Majestät, Ihr seid Amene-Horas, Königin der Liebfelder und Kaiserin des Alten Reiches!«
    Scheïjian stieß alle Luft, die in ihm war, auf einmal aus. Das erklärte alles, auch den Schreck, den der Vizekerkermeister regelmäßig bekommen hatte, wenn er über Weisungen von allerhöchster Stelle gesprochen hatte: Viel stand nicht mehr über einer Kaiserin!
    Allerdings konnte ihn Tarrad auch veräppelt haben, das mußte geklärt werden.
    »Sumudan«, begann Scheïjian, »wenn ich einen kleinen Wunsch hätte?«
    »Befehlt, Hoheit!« schmetterte es zurück.
    »Wenn dieser kleine Wunsch nun Euer Leben verlangte?«
    Das Gesicht des Kerkermeisters, das an diesem Tag schon mehrere Gelegenheiten gehabt hatte, von amtsschimmeligem Grau zu kalkigem Weiß zu wechseln, wurde grünstichig: »Es ist das Eure, Majestät!«
    Zufrieden sah sich Scheïjian in der Zelle um: »Und ihr, Geschmeiß?«
    Hier schmetterte niemand zurück, doch aufgeregtes, gegenseitiges Zurückdrängeln zum entferntesten Zellenwinkel war Beweis genug. An ein derart umfassendes Ränkespiel wollte Scheïjian nicht glauben.
    »Ich zähle nur zehn – fehlt da nicht einer?« fragte er Sumudan beiläufig.
    »Der Verwirrte? Ja, er steckt in einer eigenen Zelle, da wir befürchteten, er könnte die anderen Gefangenen beunruhigen. Wenn Ihr wünscht, Majestät, werde ich Euch …«
    »Ach gebt mir doch einfach die Schlüssel, guter Mann«, schlug Scheïjian mit dem Lächeln eines Brabacudas vor.
     
    Wenig später verließ er mit gramvollem Gesicht die Zelle des Alanfaners. »Meister Sumudan«, sprach er, »Ihr müßt ein besseres Auge auf Eure Gefangenen halten, denn dieser hat sich offenbar sehr kürzlich selbst gerichtet! Das grämt mich, denn derlei ist Eure Kaiserin nicht gewohnt!«
    Wieder erblaßte der stellvertretende Kerkermeister. »Vergebt mein Verschulden, Majestät, doch wenn es Euch beliebt, mich zu strafen …«
    Einem plötzlichen Einfall folgend, entgegnete die Kaiserin: »Papperlapapp, genug gestraft. Wir haben soeben beschlossen, Unsere Gnade walten zu lassen und alle Gefangenen freizulassen. Und zum Laichen, hoho, zum Zeichen Unseres Wohlwollens, wollen wir Euch erlauben, jedem von ihnen noch einige Dukaten zu schenken, damit sie nicht gleich wieder dieses Haus aufsuchen! Jener aber wird Uns nach … Vinsalt? … begleiten.« Dabei zeigte er auf den Glatzköpfigen.
    Als der letzte Gefangene verwirrt und mit einigen Münzen (dennoch mit mehr, als er vielleicht seiner Lebtag auf einem Haufen gesehen hatte) den Kerker Neethas verließ, dachte Scheïjian daran, wie Sumudan seinem Oberen den Vorfall wohl schildern würde. Würde er sagen: Die Kaiserin war hier auf Weisung der Götter, um die Gefangenen zu befreien? Würde er sagen: So sagte die Horas es selbst … Ein Alveraniar ist mir erschienen? Vermutlich würde man ihn für den Rest seiner Tage in ein Asyl der Noioniten stecken. Deshalb ermahnte Scheïjian den Kerkner in seinem mütterlichsten Ton: »Beherzigt diesen Rat Eurer Kaiserin, guter Mann, geht heim, legt Euch ins Bett und sagt, Ihr habet das Fieber.«
    »Wie lange, Majestät?«
    »Keine Sorge, Ihr werdet es schon noch erfahren!«
    Damit ließ er den gründlich Verwirrten hinter sich.
    Draußen atmete er tief auf. Er war mittlerweile schweißdurchnäßt und fragte sich, wie lange die Wirkung des Tranks noch anhalten mochte. Dieser ließ ihn Dinge tun, die er bei klarem Verstand nie getan hätte. Gehorsam schritt sein Begleiter mit dem Gepäck neben ihm her. »Wo ist Euer Gefolge, Majestät?« fragte dieser verunsichert die angebliche Frau, die ihre Kapuze wieder tief ins Gesicht gezogen hatte. »Ich bin genausowenig eine Majestät wie Ihr ein Bauer, Tarrad. Mich betrübt, daß Ihr einen Täuschungszauber nicht als solchen erkennt. Das wäre Euch früher nicht unterlaufen. Doch laßt uns zuerst dieser Stadt den Rücken kehren!« Tarrad zog die Augenbrauen hoch und eilte schweigend voraus.
    »Wie kommt es, daß sie Euch in dieses Loch geworfen haben?« fragte seine Begleiterin.
    »Im Kabasher Land«, erzählte

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