Trennung ohne Rosenkrieg - ein psychologischer Wegweiser
Verhaltensauffälligkeiten besser abfedern können.
Meistens hat sich ein Zugewinn an Selbstvertrauen und Zuversicht bei allen eingestellt, auch wenn hin und wieder Bedauern und Ärger über Unverzeihliches auftaucht. Die finanziellen Einschränkungen und die Belastung mit Kindern in getrennten Familienwelten bleiben in der Regel hoch. Kommt es zur Bildung einer sogenannten Patchwork-Familie, brauchen alle Beteiligten nochmals viel Kraft sowie Veränderungs- und Anpassungsbereitschaft. Mit der Zahl der Scheidungen entstehen kontinuierlich mehr Folgefamilien. Der Trend zur Wiederverheiratung ist ungebrochen. Offensichtlich sind die Betroffenen nicht von der Institution Ehe als solcher enttäuscht, sondern von der Ehe mit dem Partner/der Partnerin, von der sie sich haben scheiden lassen . »Der Anspruch und die Hoffnung auf eine nächste Liebe werden beinahe schon ein Leben lang aufrechterhalten. Frauen und Männer lernen, mit dem wiederholten Verlust von Liebe umzugehen, ohne die Liebe selbst zu sehr abzuwerten oder gar zu verwerfen.« (Sieder 2010)
Obwohl die meisten zwei bis fünf Jahre nach der Scheidung eine stabile innere und äußere Lebenssituation erreicht haben, bleiben nicht wenige auf der Strecke und können nicht von der Trennung profitieren. Dieses sind insbesondere Frauen, die eine geringe berufliche Bildung aufweisen und nach dem Wegfall des »Familienernährers« als Alleinerziehende an der Armutsgrenze leben. Auch die sogenannten »Nur-Hausfrauen«, die mühsam einen meist schlecht bezahlten Job finden, müssen ihren Lebensstil stark einschränken und sind nicht selten ihrem Ex zeitlebens dafür böse. Fthenakis u. a. (2008) weisen darauf hin, dass das Immunsystem von Frauen aufgrund von längerfristigen Belastungen in der Beziehung, in der Trennungsphaseoder durch mangelnde Ablösung nach der Trennung stärker angegriffen wird als bei den Männern. Auch diejenigen Männer und Frauen, die bereits vor der Scheidung Probleme hatten oder auf eine Unterstützung des Partners angewiesen waren und kein unterstützendes soziales Netzwerk haben, erfahren eine Verschlechterung ihrer Lebenssituation, ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf die dazugehörigen Kinder. Abstürze in körperliche und seelische Erkrankungen oder Sucht, gefolgt von Arbeitslosigkeit, sind die Folgen. Die sogenannten Scheidungsverlierer sind in der Minderheit, da die meisten Geschiedenen es schaffen, sich an die veränderte Lebenssituation anzupassen.
▶▶ Beispiele
Herr E. hat nach dem Auszug seiner Frau »notgedrungen« die Versorgung der beiden halbwüchsigen Kinder übernommen. Er fühlt sich überfordert, kommt mit seinen rigiden Erziehungsmaßnahmen bei den Kindern nicht an und beharrt auch nach der Scheidung darauf, dass nur die »Rabenmutter« schuld sei an seiner Misere. Er beginnt zu trinken, verliert seinen Job. Die Kinder kommen kurzfristig in eine Pflegefamilie, bis die Mutter die Voraussetzungen geschaffen hat, die Kinder zu betreuen.
Frau K. erfährt nach der Scheidung hauptsächlich Verständnis und Unterstützung von Frauen. Sie verliebt sich in eine Frau und zieht nach reiflicher Überlegung mit ihr in eine Frauen-WG.
Frau und Herr Z. waren 4o Jahre lang kinderlos verheiratet und wollen nach der Scheidung nicht einfach sprachlos auseinandergehen. Sie entschließen sich zu einer Beziehungsrückschau und einem Abschiedsritual. Sie vereinbaren, nach einem Jahr telefonisch Kontakt miteinander aufzunehmen, um voneinander zu hören.
Insbesondere Frauen, die selbst die Scheidung initiiert haben, schaffen es, sich mit der Bewältigung der Trennung persönlich weiterzuentwickeln und eine bessere Befindlichkeit zu erlangen als in der belastenden Ehe. Männer, die verlassen wurden, weisendes Öfteren eine Tendenz zu einem ungesunden Lebenswandel auf. Als Selbstschutz vor dem Alleinsein neigen sie dazu, sich schnell wieder ein neues » Beziehungsnes t« zu suchen. Für geschiedene oder getrennte Männer und Frauen bleibt ein erhöhtes Risiko, in einer neuen Partnerschaft die alten Muster zu wiederholen, es sei denn, sie haben sich wirklich mit ihren eigenen Anteilen am Scheitern der Beziehung auseinandergesetzt. Dann wird es ihnen gelingen, den Hass oder den Groll auf den ehemaligen Partner loszulassen (sich von Altlasten befreien) und bestenfalls die guten Erfahrungen und Erinnerungen zu behalten. Ganz im Sinne von Sören Kierkegaard: » Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es aber
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