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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Geliebten. Bei den Frauen ist es sogar groß in Mode, wie Fengshui, aber die Männer selbst kommen selten. Zu den letzten vier Sitzungen ist er gar nicht mehr erschienen, allerdings hat er darauf bestanden, sie zu bezahlen.«
    »Warum ist er ausgerechnet zu Ihnen gekommen?«
    »Weil ich gut bin.«
    »Oh.« Arkadi mochte Frauen, die geradeheraus waren.
    »Iwanow klagte über Schlafstörungen, aber damit fangen sie immer an. Angeblich wollen sie nur Schlaftabletten. In Wahrheit sind sie jedoch auf Stimmungsaufheller aus, aber die verschreibe ich nur im Rahmen einer umfassenderen Therapie. Wir trafen uns einmal in der Woche. Er war sehr unterhaltsam, sehr eloquent und strotzte vor Selbstbewusstsein. Gleichzeitig hielt er sich in mancher Hinsicht sehr bedeckt, einmal was seine Geschäfte anging, und leider auch, was immer der Grund für seinen …«
    »Litt er an Depressionen oder Angstzuständen?«, fragte Arkadi.
    »Beides, wenn man es so ausdrücken will. Er war depressiv, und er hatte Angst.«
    »Hat er von Feinden gesprochen?«
    »Er nannte keine Namen. Er sprach von Gespenstern, die ihn verfolgten.« Nowotny klappte eine Zigarrenkiste auf, entnahm ihr eine Zigarre, schälte sie aus dem Zellophan und stülpte sich die Banderole über den Finger. »Ich will damit nicht sagen, dass er an Gespenster glaubte.«
    »Sondern?«
    »Dass er eine Vergangenheit hatte. Männer, die es so weit bringen wie er, tun viele ungewöhnliche Dinge, von denen sie später manche vielleicht bereuen.«
    Arkadi berichtete von seinen Beobachtungen in Iwanows Wohnung. Der zerbrochene Spiegel, so meinte die Ärztin, könnte durchaus ein Ausdruck von Selbsthass gewesen sein, und der Sprung aus dem Fenster ein Ausweg für einen Mann.
    »Doch die Hauptselbstmordmotive bei Männern sind Geldschwierigkeiten und seelische Gründe, die oft mit nachlassender Libido zu tun haben. Aber Iwanow war wohlhabend und hatte eine gesunde sexuelle Beziehung mit seiner Freundin Rina.«
    »Er hat Viagra genommen.«
    »Rina ist viel jünger.«
    »Und sein Gesundheitszustand?«
    »Gut für einen Mann seines Alters.«
    »Hat er von einer Infektion oder Erkältung gesprochen?«
    »Nein.«
    »Ist jemals das Thema Salz zur Sprache gekommen?«
    »Nein.«
    »Der Fußboden in seinem Wandschrank war voller Salz.«
    »Das ist ja interessant.«
    »Aber Sie sagen, dass er in letzter Zeit mehrere Sitzungen versäumt hat.«
    »Seit einem Monat.«
    »Hat er sich über Mordanschläge gegen seine Person geäußert?«
    Nowotny wickelte sich die Zigarrenbanderole um den Finger. »Nicht direkt. Er sagte, er müsse immer einen Schritt voraus bleiben.«
    »Wem? Den Geistern oder einer realen Person?«
    »Geister können sehr real sein. Denken Sie an Hamlet. Oder Raskolnikow. Was allerdings Iwanow angeht, so bin ich der Ansicht, dass er sowohl von Geistern als auch von einer realen Person verfolgt wurde.«
    »Glauben Sie, dass er selbstmordgefährdet war?«
    »Durchaus, aber er war auch ein Überlebenskünstler.«
    »Glauben Sie, alles in allem, dass er sich umgebracht hat?«
    »Es wäre möglich. Hat er? Sie sind der Ermittler.« Sie verzog mitfühlend das Gesicht. »Tut mir Leid, ich würde Ihnen gern weiterhelfen. Möchten Sie eine Zigarre? Es sind kubanische.«
    »Nein, danke. Rauchen Sie?«
    »Als ich ein junges Ding war, haben alle modernen und interessanten Frauen Zigarren geraucht. Man sieht gut aus mit einer Zigarre. Eins noch, Chefinspektor. Ich hatte den Eindruck, dass Iwanows Depressionsphasen zyklisch wiederkehrten. Immer im Frühjahr, immer Anfang Mai, genauer gesagt, unmittelbar nach dem Ersten Mai. Aber ich muss gestehen, der Tag der Arbeit hat auch mich immer ziemlich deprimiert.«
     
    Es war nicht leicht, zwischen den Irish Pubs und SushiBars in der Moskauer Innenstadt ein altmodisches Restaurant zu finden, doch Viktor war es gelungen, und so aßen er und Arkadi jetzt Käsemakkaroni in einem Schnellimbiss gleich neben dem Miliz-Hauptquartier in der Petrowka-Straße, die zwar nicht mehr so hieß, da der Bürgermeister die halbe Stadt umbenannt hatte, von den Moskowitern aber immer noch so genannt wurde. Viktor zog Obduktionsfotos aus seiner Aktentasche und breitete sie zwischen den Tellern aus. Iwanow von vorn und hinten, Großaufnahmen von seinem Kopf. Eine Gesichtshälfte war weiß, die andere schwarz.
    »Dr. Toptunowa meinte, sie obduziere keine Selbstmörder«, erklärte Viktor. »Ich habe an ihre Neugier als Wissenschaftlerin appelliert, an ihre Berufsehre. Was sei

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