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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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stemmte sich aus dem Wagen. Arkadi beugte sich über den Beifahrersitz und kurbelte das Fenster herunter.
    »Ist das Ihr Abschied?«
    »Renko, hauen Sie endlich ab. Sie würden es ja doch nicht verstehen.«
    »Zumindest verstehe ich, dass ich Ihretwegen in der Klemme sitze.«
    »Sie kapieren es einfach nicht.«
    Autofahrer, die hinter Arkadi festsaßen, brüllten, er solle weiterfahren. Hupen wurden selten benutzt, wenn Drohungen genügten. Ein Windstoß wirbelte Papierfetzen über die Straße.
    »Was kapiere ich nicht?«, fragte Arkadi. »Dass man Pascha umgebracht hat.«
    »Wer?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Hat man ihn gestoßen?«
    »Ich weiß es nicht. Was spielt das für eine Rolle? Sie wollten doch sowieso aufhören.«
    »Womit denn aufhören? Es gibt keine Untersuchung.«
    »Wissen Sie, was Pascha gesagt hat? >Alles wird vertuscht, aber nichts wird lange genug vertuscht.<«
    »Und das bedeutet?«
    »Das bedeutet Folgendes: Rina ist eine Hure, ich bin ein Arschloch, und Sie sind ein Verlierer. Unsere Chancen sind die gleichen geblieben. Die ganze Stadt ist im Arsch. Ich habe Sie benutzt, na und? Jeder benutzt jeden. Pascha nannte das eine Kettenreaktion. Was erwarten Sie von mir?«
    »Hilfe.«
    »Sind Sie denn noch an dem Fall dran?« Bobby hob den Blick zum wolkenverhangenen Himmel, betrachtete die Goldmünzen des Kasinos, die aufgeplatzten Nähte seiner Schuhkappen.
    »Pascha ist umgebracht worden, mehr weiß ich nicht.«
    »Von wem?«
    »Ich hab genug von diesem beschissenen Land«, flüsterte Bobby.
    »Wie …«, begann Arkadi, doch in diesem Moment rollte der erste Mercedes aus der Reihe nach vorn, und die hintere Tür flog auf. Bobby Hoffman schlüpfte hinein, doch als er die Tür schloss und hinter Stahl und getöntem Glas verschwand, sah Arkadi einen Koffer auf dem Rücksitz. Der Wagen hatte also nicht zufällig da gestanden, alles war arrangiert. Der Mercedes setzte sich langsam wieder in Bewegung, und Arkadi folgte im Schiguli. Im Konvoi fuhren die beiden Wagen an der Metrostation Majakowski vorbei und weiter auf dem Leningrad-Prospekt in Richtung Norden. Wohin wollte Bobby? Für einen Spaziergang in der Sonne am Strand des Serebrjani Bor war es zu dunkel und für die Rennen im Hippodrom zu spät. Aber in dieser Richtung lag auch der Flughafen Scheremetjewo. Von dort gingen abends Flüge in alle Richtungen, und Hoffman war im Flughafen oft genug ein und aus gegangen, um das halbe Personal zu schmieren.
    Bestimmt hatte er ein Ticket nach Ägypten, Indien oder in eine der ehemaligen Sowjetrepubliken in der Tasche, jedenfalls in irgendein Land, das keinen Auslieferungsvertrag mit den Vereinigten Staaten hatte. Man würde ihn durch die Kontrollen schleusen, in die erste Klasse geleiten und ihm Champagner servieren. Der fluchterprobte Bobby Hoffmann griff den Ereignissen wieder einmal vor, und wenn er die Kontrollen erst passiert hatte, war er außer Arkadis Reichweite.
    Nicht dass Arkadi befugt gewesen wäre, ihn aufzuhalten. Er wollte ihn einfach nur fragen, was vertuscht worden war. Und was er damit gemeint hatte, dass Pascha umgebracht worden sei. War er nun gestoßen worden oder nicht? Hoffmans Fahrer griff aus dem Fenster, setzte ein Blaulicht aufs Dach und raste auf die Überholspur. Arkadi knallte sein eigenes offizielles Blaulicht aufs Dach und schlängelte sich von Spur zu Spur, um dranzubleiben. Niemand fuhr langsamer. Manchmal hatte Arkadi den Eindruck, dass russische Autofahrer bei der Geburt einen Eid leisteten, niemals langsamer zu fahren, so wie russische Piloten immer starteten, ganz gleich bei welchem Wetter.
    Dann aber bremsten sie doch, und der Verkehr geriet ins Stocken. Mitten auf der Fahrbahn loderte ein Feuer. Zuerst dachte Arkadi, ein Unfall, bis er Gestalten ausmachte, die um das Feuer tanzten, den Hitlergruß machten und mit Steinen und Eisenstangen die Frontscheiben und Scheinwerfer vorbeifahrender Autos zertrümmerten. Als er näher kam, sah er, dass da kein Holzhaufen brannte, sondern ein Auto, aus dem beißender Rauch quoll. Fünfzig und mehr Gestalten rüttelten an einem Bus. Eine junge Frau sprang aus der Tür des Busses und kam schreiend auf ihn zu. Ein dreirädriger Saporoschez, kaum größer als ein Motorrad, zog vor Arkadi herüber und streifte seine Stoßstange. Drinnen saßen ein Mann und eine Frau von orientalischem Aussehen. Vier Männer mit kahl geschorenen Schädeln und rot-weißer Fahne umringten den Kleinwagen. Der größte hob ihn vorn hoch, sodass seine

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