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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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verfügten. Trinken wurde geduldet: Ein Ermittler, der betrunken auf dem Rücksitz eines Dienstfahrzeugs schlief, wurde so rücksichtsvoll behandelt wie eine gebrechliche Großmutter. Korruption hingegen war heikel. Korruption war zwar Treibstoff und Schmiermittel des Lebens in Russland, doch wenn ein Untersuchungsbeamter unter Korruptionsverdacht geriet, reagierte die Öffentlichkeit stets mit Empörung. Es gab ein Gemälde mit dem Titel »Die Schlittenfahrt«. Darauf warf der Kutscher eines Dreigespanns einem Wolfsrudel, das ihn verfolgte, ein entsetztes Mädchen zum Fraß vor. Surin war wie der Kutscher. Er legte Akten über seine eigenen Ermittler an, und jedes Mal, wenn ihm die Presse zu nahe kam, hielt er sie sich mit einem Bauernopfer vom Leib. Arkadi hatte keinen Grund, entsetzt oder überrascht zu sein.
    »Hatte Timofejew eine Erkältung oder Nasenbluten?«, fragte er Hoffman.
    »Eine Erkältung, sagt er.«
    »Auf dem Hemd waren Flecken, die nach getrocknetem Blut aussahen.«
    »Die könnte er vom Schnäuzen haben.«
    »Hatte Pascha Nasenbluten?«
    »Manchmal«, antwortete Hoffman. Er war noch in das Schachspiel vertieft. »Hatte er eine Erkältung?«
    »Nein.«
    »Eine Allergie?«
    »Nein. G5 nach F3.«
    »H3 nach G3«, erwiderte Schenja.
    »War er beim Arzt?«, fragte Arkadi.
    »Er wollte nicht.«
    »Litt er unter Verfolgungswahn?«
    »Keine Ahnung, von der Seite habe ich es nie betrachtet. Aufgefallen ist es jedenfalls nicht, er hat immer noch souverän die Geschäfte geleitet. G3 nach H5.«
    »G3 nach H2«, sagte Schenja. »Schach.«
    »G1 nach H2.«
    »C6 nach H3. Matt.«
    Hoffman warf die Arme in die Höhe, wie um ein Brett umzukippen. »Mist!«
    »Er ist gut«, sagte Arkadi.
    »Wie soll ich das beurteilen, bei den Ablenkungen?«
    Schenja gewann zwei weitere Partien, ehe sie das Heim erreichten. Arkadi brachte ihn zur Tür, und Schenja marschierte hinein, ohne sich noch einmal umzublicken, was einerseits mehr, andererseits weniger als Verachtung ausdrückte. Hoffman klappte gerade sein Handy zu, als Arkadi wieder in den Wagen stieg.
    »Er ist Jude«, sagte Hoffman.
    »Er heißt mit Nachnamen Lysenko, das ist kein jüdischer Name.«
    »Ich habe eben mit ihm Schach gespielt. Er ist Jude. Können Sie mich an der Metrostation Majakowski rauslassen? Danke.«
    »Mögen Sie Majakowski?«
    »Den Dichter? Klar. >Achte mich, Welt, und beneide mich. Ich habe einen Pass der Sowjetunion.< Dann hat er sich das Gehirn rausgepustet. Den muss man einfach mögen.«
    Beim Fahren schielte Arkadi immer wieder zu Hoffman hinüber. Der Amerikaner war nicht mehr das Häuflein Elend vom Vortag. Gestern hätte er mit niemandem Schach spielen können. Heute sprach er von Dichtung und prahlte, ohne belastende Details zu nennen, ungeniert mit den verschiedenen Wirtschaftsbetrügereien, die Iwanow und er mit Hilfe von Scheinfirmen und geheimen Auktionen begangen hatten.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragte Arkadi.
    »Ich bin ziemlich enttäuscht.«
    »Man hat Sie gedemütigt und gefeuert. Sie müssten eigentlich wütend sein.«
    »Bin ich auch.«
    »Und Sie haben die CD-ROM verloren.«
    »Das war meine letzte Trumpfkarte.«
    »Dafür wirken Sie ziemlich gefasst.«
    »Ich muss die ganze Zeit an den Jungen denken. Sie können es wahrscheinlich nicht beurteilen, Renko, aber das war Schach auf richtig hohem Niveau.«
    »Angehört hat es sich jedenfalls so. Zuerst behalten Sie die CD-ROM und verstecken sie, dann benutzen Sie mich und meine lächerliche Untersuchung, um sie wichtig erscheinen zu lassen, und schließlich lassen Sie Oschogin das Ding finden, ausgerechnet in Ihrem Spind! Was war auf der CD-ROM? Was wird bei NoviRus passieren, wenn er das System damit füttert?«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.«
    »Sie sind Computerfachmann. Die CD-ROM ist Gift.«
    Der Himmel verdunkelte sich hinter beleuchteten Reklametafeln, auf denen früher Parolen wie »Die Partei ist die Vorhut der Arbeiterklasse!« prangten und heute für fassgereiften Cognac geworben wurde, als wäre ein Verrückter, der an einer Straßenecke predigte, übergangslos durch einen Verkäufer ersetzt worden. Goldene Neonmünzen rollten über das Schirmdach eines Kasinos und beleuchteten eine Reihe Luxuslimousinen und Geländewagen.
    »Woher wollen Sie das wissen?« Hoffman drehte sich in seinem Sitz. »Ich steige aus. Gleich hier.«
    »Wir sind noch nicht an der Metrostation.«
    »He, Sie Arschloch, ich sagte, gleich hier.«
    Arkadi fuhr rechts ran, und Bobby

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