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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Vorderräder in der Luft drehten, während ein anderer mit der Fahnenstange auf das Beifahrerfenster einstach. Arkadi blickte zu den Flutlichtmasten des Dynamo-Stadions, deren Scheinwerfer vor ihm leuchteten, und da begriff er, was los war.
    Dynamo spielte heute gegen Spartak. Dynamo war der Fußballklub der Miliz und Spartak der Lieblingsverein von Skinhead-Gruppen wie den Mad Butchers oder den Clockwork Oranges. Skinheads unterstützten ihre Mannschaft, indem sie jeden Dynamo-Fan, der ihnen über den Weg lief, verprügelten, und manchmal gingen sie noch weiter. Der Skinhead, der den Saporoschez vorne hochhielt, hatte sich das T-Shirt vom Leib gerissen. Auf seine breite Brust war ein Wolfskopf tätowiert, und um seine Arme rankten sich Hakenkreuzbänder. Sein Freund mit der Stange schlug schließlich die Windschutzscheibe ein, zerrte die Frau an den Haaren durch das Loch ins Freie und brüllte: »Beweg deinen Arsch aus dem russischen Auto!« Sie blutete an der Wange. Ihr Haar und ihr Sari funkelten von Glassplittern, und Arkadi erkannte Frau Rajapakse. Die beiden anderen zertrümmerten mit Eisenstangen die Scheibe auf der Seite ihres Mannes.
    Arkadi war sich nicht bewusst, dass er aus dem Schiguli stieg. Plötzlich hielt er dem Skinhead, der die Stoßstange hochhievte, eine Pistole an den Kopf. »Lass den Wagen runter.«
    »Stehst du auf Nigger?« Der Muskelprotz spuckte auf Arkadis Regenmantel.
    Arkadi trat ihm von der Seite gegen das Knie. Er wusste nicht, ob es brach, aber es gab mit einem befriedigenden Knacken nach. Der Mann sackte heulend zusammen, und Arkadi lief zu dem Spartak-Anhänger, der Frau Rajapakse auf die Kühlerhaube drückte. Da es auf der Straße von Skinheads wimmelte und das Magazin in seiner Pistole nur dreizehn Schuss enthielt, entschied er sich für einen Mittelweg.
    »Wenn du .«, begann der Mann, doch Arkadi schlug ihn mit der Pistole nieder.
    Arkadi rannte um den Wagen herum, und die Skinheads mit den Eisenstangen traten einen Schritt zurück, damit sie mehr Platz zum Ausholen hatten. Es waren große Kerle mit Bauarbeiterstiefeln und blutigen Fingerknöcheln.
    »Einen von uns erwischst du vielleicht«, sagte einer, »aber beide kriegst du nicht.«
    Arkadi fiel etwas ein. In seiner Pistole steckte gar kein Magazin. Er hatte es vor der Fahrt mit Schenja herausgenommen. Und in der Kammer ließ er nie eine Patrone stecken.
    »Und wer von euch beiden wird es sein?«, fragte er und zielte zuerst auf den einen, dann auf den anderen. »Wer von euch beiden hat keine Mutter mehr?«
    Es gab durchaus Rabenmütter, aber normalerweise ließ es keine Mutter kalt, wenn ihr Sohn auf offener Straße krepierte. Und Söhne wussten das. Nach einer langen Pause ließen die Typen die Eisenstangen fallen. Trotz ihrer Empörung über Arkadis hinterhältigen Trick traten sie den Rückzug an und nahmen ihren verletzten Kameraden mit.
    Unterdessen zerstreute sich die Menge. Milizionäre quollen aus Einsatzwagen, und Skinheads rannten davon und zerschlugen an Bushaltestellen Vitrinen. Die Rajapakses fegten Glassplitter von ihren Sitzen. Arkadi erbot sich, sie mit seinem Wagen ins Krankenhaus zu bringen, doch sie hatten es so eilig, von hier fortzukommen, dass sie ihn beim Wenden fast über den Haufen fuhren.
    »Danke«, rief Rajapakse, »aber jetzt machen Sie bitte Platz. Sie sind verrückt, genauso verrückt wie die.«
    Seinen Ausweis hoch haltend, ging Arkadi zu dem brennenden Wagen. Opfer der Skinheads wälzten sich auf der Straße und auf dem Gehweg, schluchzten zwischen zerbrochenen Außenspiegeln, zerfetzten Hemden und Schuhen. Er lief bis zu den Barrikaden, die von der Miliz eilends, aber zu spät auf dem Stadiongelände errichtet wurden. Hoffman war nirgends zu sehen, aber überall glitzerten große und kleine Glassplitter.
    Den Fahrstuhl bediente der ehemalige Kreml-Wachmann, den Arkadi bereits befragt hatte. Während die Stockwerke vorbeizogen, musterte er Arkadi von oben bis unten. »Sie brauchen einen Code.«
    »Ich kenne den Code.« Arkadi streifte Gummihandschuhe über.
    Der Fahrstuhlführer, als Wachmann geschult, trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Im zehnten Stock war er sich noch immer unschlüssig und zückte ein Handy. »Ich muss zuerst Oberst Oschogin anrufen.«
    »Wenn Sie den Oberst anrufen, erzählen Sie ihm von der Sicherheitspanne an dem Tag, an dem Iwanow starb. Sagen Sie ihm, dass Sie morgens um elf den Aufzug außer Betrieb gesetzt und dann Etage für Etage alle Wohnungen

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