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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Gleichwohl empfahl er ihnen, gründlich zu duschen, ihre Kleider zu entsorgen und auf Anfälle von Übelkeit, Haarausfall und Nasenbluten zu achten, auf Letzteres ganz besonders, denn Cäsium schädige das Knochenmark, in dem Blutplättchen gebildet würden. Viktor wollte wissen, was man gegen das Nasenbluten tun könne. Der Doktor riet ihm, ein Taschentuch bei sich zu tragen.
    Hatten Iwanow und Timofejew in dieser Art von Angst gelebt? Warum hatte keiner von beiden bei der Miliz Anzeige erstattet, obwohl ihnen jemand nach dem Leben trachtete?
    Oder wenigstens den Sicherheitsdienst von NoviRus alarmiert? Und aus welchem Grund war Timofejew von Moskau ins siebenhundert Kilometer entfernte Tschernobyl gefahren? Falls er es getan hatte, um sein Leben zu retten, war das eine Fehlkalkulation.
    Die Untersuchung seiner Leiche unmittelbar nach der Entdeckung auf dem Dorffriedhof war eine Farce gewesen. Das Friedhofsgelände war so stark verseucht, dass Hinterbliebene die Gräber ihrer Angehörigen offiziell nur einmal im Jahr besuchen durften. Deshalb hatten die Männer von der Miliz Timofejew erst einmal fortgeschleift, um ihn in sicherer Entfernung zu durchsuchen und von einer Seite auf die andere zu drehen. Da Brieftasche und Armbanduhr fehlten, lieferte der Tote keinerlei Hinweis auf seine Identität oder gesellschaftliche Stellung. Und da es regnete, luden sie ihn auf einen Kleinlaster und brachten ihn weg. Sie vermuteten, dass es sich um einen Geschäftsmann handelte, der heimlich das Grab eines Onkels oder einer Tante besuchen wollte, dabei einen Herzanfall erlitt und zu Boden fiel. Niemand fragte, wo sein Wagen stand oder ob er sich beim Gehen die Schuhe schmutzig gemacht hatte. In Tschernobyl gab es weder Kriminalpolizisten noch Pathologen, und in Kiew interessierte sich niemand für einen Mann, der in der Provinz eines natürlichen Todes gestorben war. Timofejew wurde in einen Kühlraum gebracht, und niemand kam auf die Idee, dass es sich möglicherweise gar nicht um einen Ukrainer, sondern um einen Russen handelte, bis man zwei Tage später auf dem Autofriedhof einen BMW mit Moskauer Kennzeichen entdeckte. Dann erst fiel jemandem beim Besuch des Kühlraums auf, dass Timofejew eine durchschnittene Kehle hatte.
    In Moskau war die Aufregung groß. Staatsanwalt Surin reiste persönlich mit zehn Untersuchungsbeamten nach Tschernobyl, allerdings ohne Arkadi, der den Kollegen aus Kiew bei ihren Ermittlungen helfen sollte. Sie fanden nichts heraus.
    Etwaige Spuren am Fundort auf dem Friedhof waren zuerst von Wölfen und dann beim übereilten Abtransport der Leiche vernichtet worden. Sollte es auf dem Boden Blut gegeben haben, so hatte es der Regen fortgespült, daher ließ sich unmöglich sagen, ob Timofejew auf dem Friedhof die Kehle durchgeschnitten worden war oder woanders. Am Fundort waren keine Fotos von der Leiche gemacht worden. Die Leiche selbst, die nach Meinung der Strahlenschützer für eine Obduktion und selbst für eine Einäscherung zu »heiß« war, wurde in einem versiegelten Sarg begraben. Der Milizionär, von dem der erste Bericht stammte, war verschwunden, vermutlich mit Timofejews Brieftasche und Uhr. Je länger die Ermittler aus Moskau und Kiew blieben, desto mulmiger wurde ihnen dabei, von einem verseuchten Dorf zum anderen zu ziehen. Die alten Leute, die heimlich in ihre Häuser zurückgekehrt waren, wussten, dass sie nicht hier sein durften, und da eine Begegnung mit der Obrigkeit zweifellos damit enden würde, dass man sie mit einem Bus in die Stadt karrte und ihnen dort eine triste Kellerwohnung zuwies, verschwanden sie wie Kaninchen in ihrem Bau oder zogen in andere Hütten in anderen schwarzen Dörfern. Nach ein paar Wochen warfen die Ermittler das Handtuch und reisten wieder ab, und zwar mit weit weniger Trara als bei ihrer Ankunft. Ein anderer hätte seine Niederlage vielleicht eingestanden, nicht aber Staatsanwalt Surin. Wieder einmal bewies er Scharfsinn und das Talent, jede Katastrophe heil zu überstehen. Er rettete die Situation, indem er Arkadi als »Freiwilligen« auf reiner Beraterbasis der Miliz von Tschernobyl zuteilte, ein Schachzug, mit dem er Kooperation zwischen den Bruderstaaten demonstrierte, der Forderung nach weiteren Ermittlungen nachkam und so ganz nebenbei einen beruhigenden Abstand zwischen sich und seinen unbequemsten Beamten brachte. Zugleich machte er es Arkadi praktisch unmöglich, den Fall aufzuklären. Ganz auf sich allein gestellt, ohne Unterstützung der

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