Treue Genossen
hätte ich eine makellose Bilanz. Und mit einer makellosen Bilanz komme ich hier vielleicht wieder weg.
Woher wollen Sie wissen, dass ihn jemand aus der Gegend umgebracht hat oder dass er früher schon mal hier war?«
»Wir werden es herausfinden. Wir suchen Einheimische, die wir fragen können, obwohl ich zugeben muss, dass das nicht leicht ist, denn offiziell lebt ja überhaupt niemand hier.«
»Wir sind in der Zone.«
Manchmal kam sich Arkadi in der Zone vor wie in einem Spiegelkabinett. In der Zone war alles anders. »Ich mache mir noch immer Gedanken über die Leiche«, sagte er. »Der erste Bericht stammt von einem Milizionär namens Katamai. Ich hatte keine Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, denn er hat den Dienst quittiert. Haben Sie eine Ahnung, wo dieser Katamai steckt?«
»Fragen Sie die Woropai-Brüder. Die waren mit ihm befreundet.«
»Die Woropais sind nicht sehr auskunftsfreudig.« Die Brüder wussten, dass Arkadi keine offiziellen Befugnisse hatte. So dumm wie verschlagen, hatten sie einander nur blöde angegrinst und geschwiegen. »Ich würde gern mit Katamai sprechen und von ihm erfahren, wer ihn zu der Leiche geführt hat.«
»Was spielt das für eine Rolle? Die Leiche war nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand.«
»Wie das?«
»Wölfe.«
»Was genau haben die Wölfe gemacht?«
»Ein Auge gefressen.«
»Ein Auge gefressen? Das höre ich zum ersten Mal.«
»Das linke Auge.«
»Tun Wölfe so etwas denn?«
»Warum nicht? Außerdem sind sie an seinem Gesicht zugange gewesen. So dass wir die Schnittwunde am Hals übersehen haben.«
»Er war schon tot, als die Wölfe kamen. Er dürfte also kaum geblutet haben.«
»Da war auch nicht viel Blut, deshalb sind wir ja von einem Herzanfall ausgegangen. Bis auf das Auge und die Nase war sein Gesicht in Ordnung.«
»Was ist mit der Nase passiert?«
»Sie war voller Blut.«
»Und seine Kleider?«
»Ziemlich sauber, wenn man bedenkt, dass es geregnet hat und die Wölfe alles in Unordnung gebracht haben.«
Nicht mehr als die Miliz, dachte Arkadi, verkniff sich aber einen Kommentar.
»Wer hat die Leiche beim zweiten Mal untersucht? Wer hat bemerkt, dass ihm jemand die Kehle durchgeschnitten hatte? Wir haben keinen offiziellen Bericht mit Unterschrift bekommen, nur ein kurzes Schreiben, in dem auf die Wunde am Hals hingewiesen wurde.«
»Den Betreffenden würde ich mir auch gern vorknöpfen. Hätte er seine Nase nicht in Dinge gesteckt, die ihn nichts angehen, wäre der Russe immer noch an einem Herzanfall gestorben. Sie wären nicht hier, und meine Bilanz wäre makellos.«
»Die Miliz arbeitet wohl nach einer neuen Methode. Solange keine Hacke im Kopf steckt, war es Herzstillstand.« Arkadis Bemerkung war als Scherz gemeint, doch Martschenko schien sie nicht komisch zu finden. »Na, jedenfalls wusste der zweite Beamte, was er tat. Ich würde nur allzu gern wissen, wer es war.«
»Ständig wollen Sie etwas wissen. Der Mann aus Moskau mit seinen tausend Fragen.«
»Außerdem würde ich mir gern noch mal Timofejews Wagen ansehen.«
»Sehen Sie, was ich meine? Ich habe weder die Zeit noch genügend Leute für eine Morduntersuchung. Schon gar nicht, wenn es um einen toten Russen geht. Kennen Sie die offizielle Haltung? >In der Sperrzone gibt es nichts, nur verbrauchtes Uran, abgeschaltete Reaktoren und die Blödmänner, die dort stationiert sind. Zum Teufel mit ihnen. Die sollen Beeren fressen.< Sie haben ja selbst erlebt, wie eilig es Ihre Kollegen hatten, hier wieder wegzukommen. Aber noch tun wir unsere Pflicht, wie jetzt.« Martschenko schielte nach vorn. »Ah, da sind sie.«
Weiter vorn, wo die abgestorbenen Tannen einem Kartoffelacker wichen, versperrte ein weißer Lada die Straße, und zwei Milizionäre fuchtelten mit den Armen. Der Acker war nass vom Regen in der vergangenen Woche. Dort gab es kein Durchkommen. Der Motorradfahrer drosselte das Tempo und taxierte das Hindernis. Dann startete er durch, lehnte sich nach links und jagte so mühelos den rechten Seitenstreifen hinunter und wieder hinauf, als zupfe er einen Grashalm aus.
Martschenko griff zum Funkgerät. »Aus dem Weg.«
Verzweifelt schoben die Milizionäre den Lada auf die Seite, und Martschenko flitzte vorbei. Arkadi sah die Mütze eines Milizionärs durch die Luft fliegen und war froh, dass er das Rauchen nicht aufgegeben hatte. Wenn er schon in der Zone sterben sollte, wozu sich dann ein bescheidenes Vergnügen versagen?
»Treiben Sie Sport?«, fragte
Weitere Kostenlose Bücher