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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Kriminalpolizei, ohne Zugang zu Timofejews Freunden - vielleicht gab es einen Priester oder eine verständnisvolle Masseuse, denen er sein Herz ausgeschüttet hatte - und so weit von Moskau entfernt wie Pluto von der Sonne, war Arkadi dazu verdammt, Phantomen nachzujagen. Surins Tricks machten ihn sprachlos.
    »Renko! Letzter Tanz!« Alex zerrte Arkadi aus der Ecke und stieß ihn in die Arme eines stämmigen Wissenschaftlers. »Seien Sie kein Langweiler. Vanko braucht einen Partner.«
    Mit seiner Blässe und seinem strähnigen Haar hatte Vanko mehr von einem verrückten Mönch als von einem Ökologen.
    »Sind Sie schwul?«, fragte er Arkadi. »Mit Schwulen tanze ich nämlich nicht. Ein Hetero ist unter den gegebenen Umständen gerade noch erlaubt.«
    »Keine Sorge.«
    »Sie sind gar nicht so übel. Alle haben prophezeit, Sie würden nach spätestens einer Woche verschwinden. Aber Sie haben durchgehalten, das imponiert mir. Wollen Sie führen?«
    »Mir egal.«
    »Mir auch. Jedenfalls hier. Wir sind in einem Cafe am Ende der Welt. Wenn Sie wissen wollen, wie das Ende der Welt wird, hier haben Sie die Antwort: Gar nicht so übel.«
    Hauptmann Martschenko lenkte mit einer Hand und schwenkte in der anderen das Mikrofon seines Funkgeräts wie ein Panzerkommandant. »Sehr schön. Wir werden beweisen, dass in der Zone Gesetz und Ordnung herrschen. Sogar hier! Diese Aasgeier dringen in die Dorfkirchen ein und stehlen die Ikonen, oder sie gehen in die Häuser einfacher Leute und klauen die Ikonen dort. Aber jetzt haben wir ihn. Querfeldein kann er nicht fahren, zu morastig, und auf der Straße ist kaum Verkehr. Aha, da ist er! Der Aasgeier ist in Sicht.«
    Aus dem Punkt am Horizont wurde langsam ein Motorrad mit Beiwagen, kein PS-starkes Gefährt, sondern eine Maschine, wie sie Bauern benutzten, um Hühner zu transportieren. Ein grauer Himmel zog vorüber. Rote Tannen säumten die Straße, und Schilder wiesen auf Häuser und Scheunen hin, die man »beerdigt« hatte, da sie so verseucht waren, dass sie weder abgerissen und weggekarrt noch verbrannt werden konnten.
    Hauptmann Martschenko hatte in einem Milizfahrzeug vorbeigeschaut und Arkadi gebeten, bei der Verfolgung eines Diebes behilflich zu sein, der an einem Kontrollpunkt mit einer Ikone im Beiwagen seines Motorrads geflüchtet war. Aus dem Funkverkehr hatte sich Arkadi zusammengereimt, dass irgendwo vor ihnen ein zweiter Wagen postiert war. Der Hauptmann genoss es sichtlich, einen Beamten aus Moskau zum Zuschauer zu degradieren. »Wir haben hier vielleicht keine Ermittler wie in Moskau, aber wir verstehen etwas von unserem Handwerk.«
    »Ich bin sicher, dass Tschernobyl sich nicht zu verstecken braucht.«
    »Tschornobyl. In der Ukraine wird es Tschornobyl ausgesprochen.«
    Einen Großteil der Ackerkrume hatte man mit Sand zugeschüttet, und bis zum Wald war der Boden platt gewalzt, sodass sich dem Wind keinerlei Widerstand bot. Das Motorrad, das nicht mehr als hundert Meter Vorsprung hatte, wurde von einer Straßenseite zur anderen geworfen, und obwohl der Fahrer sich tief über den Lenker beugte, holte das Auto auf. Arkadi konnte erkennen, dass es eine kleine Maschine war, möglicherweise eine 75er, blau, mit überklebtem Nummernschild.
    »Das sind Kriminelle, Renko. Entsprechend muss man sie behandeln. Und nicht wie Sie. Sich anbiedern, was zu essen und Geld dalassen, als hätte jemand Geburtstag. Glauben Sie, so finden Sie Informanten? Glauben Sie, ein toter Russe ist wichtiger als vorschriftsmäßige Polizeiarbeit? In Moskau mag er ein großer Mann gewesen sein, aber hier ist er ein Niemand. Sein Büro hat angerufen. Ein Oberst Oschogin meinte, wir sollten ein Auge auf Sie haben. Ich sagte ihm, dass Sie auf der Stelle treten.«
    Um den »Selbstsiedler« aufzuspüren, hatte Arkadi vor über drei Wochen damit begonnen, ein Verzeichnis von Personen anzulegen, die sich illegal in der Sperrzone aufhielten: alte Leute, Siedler, Schieber, Wilderer und Diebe. Die Alten lebten versteckt, aber an einem festen Ort. Die Schieber benutzten Laster und Pkw. Die Wilderer arbeiteten in der Regel für Restaurants in Kiew und Minsk und waren auf Rehe und Wildschweine aus. Ikonendiebe schlugen blitzschnell zu und waren schwer zu fassen.
    »Was wollte Timofejew hier?«, fragte Arkadi. »Was hatte er mit Tschornobyl zu tun? Welche Verbindung bestand zwischen ihm, Iwanow und Tschornobyl? Wie viele Morde gab es hier?«
    »Keinen einzigen. Nur den an Ihrem Timofejew, einem Russen. Sonst

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