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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Martschenko.
    Arkadi klammerte sich an den Sicherheitsgurt. »Eigentlich nicht.«
    »Mitten in Moskau ist das bestimmt nicht einfach. Moskau kann mir gestohlen bleiben. Gefällt Ihnen die Ukraine?«
    »Außer der Zone habe ich nicht viel gesehen. Kiew ist eine schöne Stadt.« Arkadi hoffte, dies war diplomatisch genug.
    »Und die ukrainischen Mädchen?«
    »Sehr schön.«
    »Die schönsten der Welt, sagt man. Große Augen, große …«
    Martschenko wölbte die Hand vor der Brust. »Einmal im Jahr kommen Juden. Sie locken junge Ukrainerinnen als Aupairmädchen nach Amerika und halten sie dann als Sexsklavinnen. Die Italiener sind genauso schlimm.«
    »Tatsächlich?« Der Zorn des Hauptmanns zeugte von einer allgemeinen Feindseligkeit, die Arkadi beunruhigte.
    »Jeden Tag bringt ein Bus ukrainische Mädchen nach Mailand, wo sie als Prostituierte enden.«
    »Aber nicht nach Russland«, sagte Arkadi.
    »Nein, wer will schon nach Russland?«
    »Nicht mal Ukrainerinnen, wie’s scheint.«
    Der Hauptmann lehnte sich zur Seite und fischte ein großes Messer aus einer Tasche. Es steckte in einer Lederscheide.
    »Los, holen Sie es raus.«
    Arkadi löste die Schnalle und zog einen schweren Dolch mit Blutrille und zweischneidiger Spitze hervor. »Wie ein Schwert.«
    »Für Wildschweine. So was könnt Ihr in Moskau nicht, oder?«
    »Was? Mit einem Messer jagen?«
    »Falls ihr überhaupt den Nerv dazu habt.«
    »Ich habe mit Sicherheit nicht den Nerv, ein Wildschwein zu fangen und abzustechen.«
    »Vergessen Sie nicht, im Grunde ist es nur ein Schwein.«
    »Und anschließend essen Sie es?«
    »Nein, die sind radioaktiv verseucht. Es ist ein Sport. Irgendwann probieren wir es mal aus, wir beide.«
    Das blaue Motorrad bog scharf in eine Seitenstraße ab, aber Martschenko ließ sich nicht abhängen. Die Straße führte an einem schwarzen Morast mit Rohrkolben vorbei in eine Senke, dann wieder bergauf durch eine Obstwiese, die mit fauligen Äpfeln übersät war. Zwei Viehschuppen wuchsen vor ihnen aus dem Boden. Das Motorrad raste zwischen ihnen hindurch, verfolgt von Martschenko, der dabei einen Außenspiegel einbüßte. Plötzlich waren sie mitten in einem verwinkelten Dorf mit windschiefen Häusern, die Brennholzsammler ausgeschlachtet hatten. Auf den Höfen standen Waschzuber und auf der Straße Stühle, als hätte hier eine letzte Parade stattgefunden, die zum Dorf hinausführte, und als wären noch Leute da gewesen, die dabei zusahen. Arkadi hörte, wie das Dosimeter die Stimme erhob. Das Motorrad bretterte durch eine Scheune, vorn hinein und hinten wieder hinaus. Martschenko folgte nur zehn Meter dahinter, und Arkadi konnte erkennen, dass ein Ikonentuch in den Beiwagen gestopft war. Die Straße führte erneut in eine Senke, auf eine Gruppe kränklicher Weiden und einen Bach zu, hinter dem sich ein verwildertes, vom Wind zerzaustes Kornfeld den Hang hinaufzog. Bei den Weiden verengte sich die Straße. Eine ideale Stelle, um dem Motorrad den Weg abzuschneiden - wie im Film, dachte Arkadi, als Martschenko das Steuer herumriss und stoppte. Das Motorrad schlüpfte zwischen die Bäume und verschwand hinter einem Vorhang aus Laub.
    »Wir können zu Fuß weiter!«, rief Arkadi. »Auf dem Weg kriegen wir ihn.«
    Der Hauptmann schüttelte den Kopf und deutete auf ein Strahlenwarnschild, das zwischen den Bäumen rostete. »Zu heiß. Wir können nicht weiter.«
    Arkadi stieg aus. Die Bäume reichten nicht ganz an den Bach heran, und obwohl das Gras hoch, der Hang steil und der Schlamm tief war, kam er gut voran. Martschenko brüllte, er solle zurückkommen. Im nächsten Moment tauchte der Dieb unter den Bäumen auf. Er war abgestiegen und schob, kam aber kaum von der Stelle. Das Motorrad spie Rauch und verspritzte Schlamm. Der Fahrer war klein, trug Lederjacke und Mütze und hatte sich ein Tuch vors Gesicht gebunden. Die Ikone, eine Madonna mit Sternenkutte, lugte aus dem Beiwagen hervor. Arkadi wollte gerade die Hand danach ausstrecken, als das Hinterrad des Motorrads griff und die Maschine sich schlingernd in Bewegung setzte. Er war so nahe dran, dass er das Logo auf der Motorabdeckung erkannte. Eine Suzuki. Die Maschine hüpfte von Furche zu Furche, einen Schritt dahinter Arkadi und abermals einen Schritt dahinter Martschenko. Arkadi strauchelte über ein Warnschild, blieb aber dicht hinter dem Motorrad, als es spritzend das Bachbett durchquerte und Steine nach hinten schleuderte. Einen Schritt noch, und er griff nach dem Beiwagen,

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