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Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Titel: Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Brody
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binnen einer einzigen Minute verzehnfacht. Endlich war ich oben angelangt. Ich schlich in mein dunkles Zimmer und schloss lautlos die Tür hinter mir. Mein Herz pochte so heftig, dass es das Flüstern und Stöhnen draußen übertönte.
    Tränen der Angst stiegen mir in die Augen, als ich zu Boden sank, verzweifelt versuchte, aus dem eben Gesehenen schlau zu werden. Versuchte abzuschätzen, was es bedeutete, jetzt und für die Zukunft.
    Wieder und wieder sah ich dieselbe Szene vor meinem inneren Auge ablaufen, wie eine Endlosschleife in einem Film:
    Elizabeth auf dem Sofa, mit dem Kopf auf einem der Kissen. Ihr modisches Top lag achtlos auf dem Couchtisch zusammengeknüllt, ihr BH war schwarzrot, wie die Wäsche im Katalog von Victoria’s Secret, den ich aus dem Mülleimer gefischt hatte, nachdem Mom ihn aus dem Briefkasten geholt und gleich weggeworfen hatte. Und die Hand, die so gierig ihren nackten Bauch liebkoste, ihre schlanke Taille umschlang... gehörte meinem Vater.
    Er hatte sie geküsst, wie ich ihn meine Mutter noch nie hatte küssen sehen. Als wollte er sie verschlingen.
    Wenn sich meine Eltern küssten, dann liebevoll und zärtlich. Eine sanfte Berührung der Lippen, die eine Sekunde dauerte, manchmal auch zwei oder drei, wenn sie sich vor einer von Dads Geschäftsreisen verabschiedeten.
    Doch das, was mein Vater jetzt dort unten machte, hatte weder sanft noch zärtlich gewirkt. Sein Mund war offen gewesen, und der von Elizabeth ebenfalls. Wie bei zwei Achtklässlern, die im Schulkorridor herumknutschten. Nur weitaus geübter.

    Auf einen Schlag empfand ich ein völlig neues Gefühl für meine Mutter: Mitleid. Sie war stets allwissend gewesen. Wenn jemand gewusst hatte, wovor ich beschützt werden musste, dann sie.
    Doch jetzt war sie diejenige, die beschützt werden musste. Und ich war die Einzige, die dazu in der Lage war.
    In dieser Nacht wurde ich erwachsen.
    Ein zufälliger Blick hatte genügt, um einen Aspekt aus dem Leben meiner Eltern zu enthüllen, von dessen Existenz ich bislang nichts geahnt hatte. Und dieser eine Blick in die Komplexität einer Beziehung zwischen Erwachsenen hatte mich, das wusste ich, dem Erwachsenendasein einen riesigen Schritt näher gebracht. Und ich hatte in meiner Naivität immer angenommen, erwachsen zu werden hieße, ein eigenes Telefon zu bekommen und länger aufbleiben zu dürfen.
     
    Als Mom drei Tage später wieder da war, brachte sie mich abends wie üblich ins Bett. »Träum was Schönes«, sagte sie an der Tür, die Hand schon auf dem Lichtschalter.
    Doch dann erspähte sie Snuffles, der unter meiner Bettdecke hervorlugte, und sie kam noch einmal zurück und setzte sich zu mir. »Sieh an«, stellte sie fest und berührte sanft seinen Rüssel. »Wie kommt’s, dass du deine Meinung geändert hast? Und warum gerade jetzt?«
    Ich holte tief Luft und drückte ihn an mich. »Ich wollte nur sichergehen, dass er sich nicht einsam fühlt.«

6
    360 Grad
    Am Samstagvormittag um halb zehn riss mich das Klingeln meines Festnetztelefons aus dem Schlaf, dabei hätte ich das erste Mal seit einer Ewigkeit ausschlafen können. Ich zog mir das Extrakissen über den Kopf, um das Geräusch auszublenden, bis es nach dem fünften Klingeln verstummte. Dann suchte ich in dem Durcheinander aus Laken und Decken nach Snuffles und entdeckte den Ärmsten schließlich auf dem Boden neben dem Bett. Verstoßen und traurig sah er aus.
    Ich holte ihn ins Bett zurück, drückte ihn an mich und murmelte ihm eine Entschuldigung ins Ohr, ehe ich wieder die Augen schloss.
    Dreißig Sekunden später klingelte erneut das Telefon.
    Ich stöhnte laut auf und guckte auf das Display. Zoë. »Was ist?«, brummte ich schlaftrunken statt einer Begrüßung.
    »Was zum Geier treibst du da, du Arsch mit Ohren?«, brüllte sie mir ins Ohr.
    Mhm. Das war eindeutig Zoë. Sie hat die Angewohnheit, beim Autofahren zu telefonieren. Leider neigt sie außerdem dazu, beim Autofahren zu schimpfen wie ein Rohrspatz, was die Unterhaltung oft etwas erschwert. Ich brachte einen
Sicherheitsabstand zwischen mein Ohr und das Telefon, bis sie ihr Gezeter beendet hatte.
    »Entschuldige«, sagte sie schließlich in gewohnter Lautstärke (was auch noch laut genug war). »Ich bin auf dem Sunset Boulevard und irgendso ein Trottel hat mich gerade geschnitten. Vom Reißverschlussprinzip haben die hier in West Hollywood wohl noch nie gehört.«
    »Gibt es einen triftigen Grund dafür, dass du mich an einem Samstag weckst?«
    »Ach,

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