Trias
immer noch nicht auf der Bühne erschienen. Das Podest mit dem Mikrofon stand verwaist und still. Graf Sprock erhob sich und ging langsam hinter den Bühnenraum. Der Mann mit den halblangen blonden Haaren folgte ihm in sicherem Abstand.
Die Garderobe und der sich anschließende schmale Gang waren unbeleuchtet, Tische und Stühle standen da wie nie benutzt. Wo er Spread die ganze Zeit vermutet hatte, das letzte Mal seinen Vortragstext lesend, war anscheinend gar niemand gewesen. Sprock sah einen älteren Herrn am Ende des Ganges stehen, der in einer ihm fremden Sprache in sein Funktelefon hineinredete. Sprock verstand kein Wort. Er ging auf ihn zu, zeigte mit dem Finger auf Spreads Namen auf der Rednerliste der Einladung und machte ein fragendes Gesicht. Doch der Mann zuckte nur mit den Schultern.
Als er sich abwendete, sah er den blonden Fremden die Garderobe betreten. Sprock ging an dem Raum schnell vorbei.
Er verließ den Gemeindesaal mit einem merkwürdigen Gefühl. Etwas stimmte nicht, das war ihm klar. Doch was? Spread brauchte dieses Publikum, es waren Sympathisanten und Geldgeber des FIES. Er dachte scharf nach. Was hier geschah, konnte unmöglich Spreads Schuld sein. Vor der Tür rief er nach einem Taxi. Seinen Verfolger bemerkte er nicht.
Sprock fuhr zum Hotel Mala Strana , stieg in der vierten Etage aus dem Fahrstuhl und klopfte an Spreads Tür. Für ihn unsichtbar, drückte sich ein Mann dicht an die Ecke des Ganges auf derselben Etage. Sprock klopfte ein weiteres Mal. Keine Reaktion. Er rief Spreads Namen, horchte. Dann drückte er die Klinke hinunter. Verschlossen. Er sah durch das Schlüsselloch. Das Zimmer war zu dunkel, um etwas zu entdecken. Und dann nahm seine Nase einen üblen Geruch wahr, der ihn auf der Stelle ekelte. Sprocks Nervosität stieg. War Spread etwas zugestoßen?
Er nahm die Treppe, eilte zum Portier und redete aufgeregt auf ihn ein.
Der Anblick von Spreads Leiche war fürchterlich, der Gestank in dem Zimmer bestialisch. Zwei Angestellte mit dem Zweitschlüssel und Sprock hielten sich Stoffservietten vor die Nasen. Der Fremde aus dem Gemeindesaal war hinzugekommen und stand jetzt dicht hinter Sprock. Das Hirn von Spread war vollständig ausgetreten, die verletzte Halsschlagader hatte so viel Blut freigegeben, dass dessen Gesicht in einer roten Pfütze lag. Einer der Angestellten rief über sein Funktelefon die Polizei. Sprock war jetzt nicht mehr nur geschockt, er war richtig aus dem Häuschen.
Er gestikulierte mit den Händen, redete auf den Angestellten ein. Dabei zeigte er immer wieder auf den Toten.
Als ihm jemand auf die Schulter tippte, fuhr er erschrocken herum. Sprock sah in ein Gesicht, das ihm irgendwoher bekannt vorkam. Der Mann musterte ihn mit seinen auffällig blauen Augen.
»Mein Name ist Croy. Deutsches Bundeskriminalamt. Darf ich wissen, wer Sie sind und was Sie in diesem Hotelzimmer machen?«
»Ich … ich … kenne diesen Mann«, stotterte Sprock, alle Vorsicht vergessend.
»Ich muss Sie bitten, mich zu begleiten«, sagte Croy und starrte ihm unerbittlich ins Gesicht. Sprock entschied, folgsam zu sein.
FBI-Inspektor Malik bestand darauf, beim Verhör von Sprock dabei zu sein. Croy war es recht. Die tschechischen Behörden würden dem BKA die Arbeit abnehmen, wenn sie den gewaltsamen Tod Spreads aufklären halfen.
»Dies ist und bleibt dennoch ein deutscher Fall, Herr Malik. Aber das brauche ich Ihnen ja eigentlich nicht zu sagen.« Malik nickte daraufhin leichthin und verzog seinen Mund zu einer Art Schnute. Nach Croys Ansicht ließen der Tod Stefan Rumpfs, ein dubioser Billionen-Dollar-Vertrag mit deutscher Beteiligung und ein bevorstehender G8-Gipfel im deutschen Marienstrand eine andere Bewertung gar nicht zu. Und sollte sich herausstellen, dass Spreads Tod mit Trias im Zusammenhang stand, wovon er mittlerweile fast überzeugt war, würde er auf Maliks und damit die tschechischen Befindlichkeiten keine Rücksicht nehmen.
Als die amerikanische Botschaft vom Tod Spreads und dessen Umständen erfuhr, gab sich der Konsul äußerst betroffen. Er selbst war Mitglied des FIES und hatte in Reihe 2 des Gemeindesaals gesessen. Er versprach den tschechischen Behörden, sich höchstpersönlich um die Überführung des Leichnams in die USA zu kümmern.
Inzwischen sicherten Beamte der Prager Kriminalpolizei Spuren am Tatort, fotografierten die Leiche und sperrten das Hotelzimmer für die kommenden Tage ab. Spreads Leichnam wurde zunächst in die
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