Trias
Pathologie des Prager Universitätsklinikums überführt und landete kurz danach in einem Sack verschnürt im Kühlraum des dortigen Leichenkellers.
6
Prag-Letna, Polizeipräsidium, kurze Zeit später
Der Raum im Prager Polizeipräsidium, das dem Innenministerium angegliedert war, strahlte Kühle aus. Er war weiß getüncht, die Wände aus Beton. An den oberen Ecken der vier Wände hingen Kameras, die auf den einfachen Holztisch mit den drei Stühlen gerichtet waren. Vom vergitterten Fenster aus sah man auf den Letna-Park, in dem sich auch das Restaurant Letensky Zamecek befand, in dem Sprock und Spread am Abend zuvor noch Bier und Schnaps getrunken und über ihre großen Pläne debattiert hatten.
Sprock saß auf einem der Stühle und zitterte. Niemals zuvor hatte er sich in einer derartigen Situation befunden. Er war es gewohnt, das große Wort zu führen, Menschen vor sich zu haben, die ihm an den Lippen hingen, ihm folgten. Der tschechische FBI-Mann Malik und Markus Croy standen nebeneinander und sahen kalt auf ihn hinab.
»Woher kennen Sie Mister Spread? Wie stehen Sie zu ihm?«, fragte Malik. Seine schiefe Nase zeigte glatt an Sprock vorbei. Der brauchte einen Moment.
»Wir lernten uns bei einem Symposium amerikanischer Wissenschaftler zur pflanzlichen Gentechnologie kennen«, log der Düngemittelfabrikant. Seine Stimme war so tonlos wie Staub. »Ist aber schon ein paar Jahre her. Dazwischen trafen wir uns immer mal wieder am Rande von Veranstaltungen.«
»Und Sie hatten eine Einladung für heute Abend?«, fragte Malik ernst. Sprock bejahte und zeigte seine Einladungskarte.
»Und wie sollte es dann weitergehen? Kleiner Nachtplausch oder wie?« Malik klang jetzt quengelig.
»Ich plante wegen Spread sogar einen Tag länger zu bleiben. Wir wollten ins Tschechische Nationalmuseum.«
»Soso«, sagte Malik. Croy scharrte mit den Schuhen. Das war ihm alles zu seicht. Zu nichtssagend. Zu lau. Er übernahm kurzerhand das Gespräch.
»Herr Sprock, auf der Einladungsliste steht der Name Stefan Rumpf. Bedauerlicherweise kam er vor knapp zwei Wochen bei einem Attentat ums Leben. Sie haben sicher davon gehört oder gelesen. Kannten Sie ihn?« Croy sah ihn lauernd an.
Ihm schien, als denke Sprock ein bisschen zu lange nach, bevor er endlich wieder sprach.
»Natürlich, stand ja in allen Zeitungen«, sagte Sprock schließlich. »Mit Staatssekretären habe ich aber nicht so viel zu tun.«
»Eigentümlich, dabei arbeitete Rumpf eng mit Spread zusammen.« Croy setzte schnell nach: »Wie gut kannten Sie Spread?«
Sprock antwortete nun entschlossen: »Ich kenne ihn als Hansdampf in allen Gassen. Heute in New York, morgen in Los Angeles, übermorgen in Amsterdam oder Berlin. Als Senior Fellow bei dem FIES bleibt … Entschuldigung, blieb ihm kaum Zeit für ein längeres Gespräch über sich und seine Vorhaben. Ich habe ihn einmal in seinem Büro in Manhattan besucht. Und sonst …«
Bevor Croy nachhaken konnte, mischte sich Malik ein.
»Mister Sprock, wer, glauben Sie, wäre zu so einer brutalen Tat fähig? Jemand, der mit einem Schlagwerkzeug ein Zeichen setzen wollte, das jeder sehen sollte?«
Sprock zuckte mit den Schultern. »Wer einen Job wie Spread macht, hat ganz sicher Feinde. Immerhin gehören der Organisation mehr als 6 000 Mitglieder an, die weltweit miteinander vernetzt sind. Seine Auftraggeber saßen ja nicht nur im amerikanischen Kongress.«
»Das wissen wir alles, Sprock.« Croys Stimme war jetzt so scharf wie eine frisch geschliffene Axt. »Aber über Sie , Graf, wissen wir noch nichts. Dass Sie zufälligerweise zum Tatzeitpunkt im Gemeindehaus saßen, heißt noch lange nicht, dass Sie nichts mit Spreads Tod zu tun haben. Sie sind als aktiver Unterstützer der europaweiten Rechtsextremisten-Szene aufgefallen. Dass Nazis in der Lage gewesen wären beziehungsweise sind, einen solchen Mordanschlag auszuführen, zeigt der jüngste Bombenanschlag auf die Pariser Oper und die europaweiten Angriffe auf farbige Ausländer. Ihre Klientel in den USA, aber auch in Europa nimmt für Ihre Ideologie und den Fanatismus eine große Anzahl ziviler Opfer in Kauf. Störte Spread Ihre Aktivitäten?«
Sprock schluckte. Croy und Malik hatten bisher vor ihrem Gast gestanden. Jetzt setzten sie sich und rückten mit ihren Stühlen ganz dicht an ihn heran.
»Was sagen Sie dazu?«, drängte Malik scharf.
Sprock schob das Kinn nach vorn. Er ähnelte mit seiner stark nach unten gebogenen Nase einem Raubvogel, der dringend
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